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Weiblicher Aufbruch zum Service

Als Erster Weiblicher Aufbruch wurde das EWA-Frauenzentrum vor 10 Jahren in Prenzlauer Berg gegründet. Doch zum Feiern ist den Mitarbeiterinnen nicht zumute. Zuschüsse sind knapp, und Besucherinnen zeigen kaum noch Eigeninitiative

von JULIA NAUMANN

Von außen sieht das Zentrum ein bisschen aus wie eine Sprachschule. Das Fenster ist voll geklebt mit Flyern. Englisch-, Italienisch-, Französischunterricht wird angeboten. Drinnen ist ein Café mit einer Bar. In den weitläufigen Räumen im 5. Stock werden Fußreflexzonenmassagen angeboten, können Videos gedreht oder ein Tanztherapiekurs besucht werden. Und alles nur für Frauen. Seit 10 Jahren.

Das hört sich erfolgreich an. Doch die MitarbeiterInnen des EWA-Frauenzentrums in Prenzlauer Berg, die heute ihren 10. Geburtstag feiern, sind nicht in Sektlaune: „Wir freuen uns natürlich mächtig, dass wir schon so lange existieren und so viele Angebote im Programm haben“, sagt Geschäftsführerin Barbara Hömberg. „Leider mussten wir jedoch in den vergangenen Jahren etliche Rückschläge einstecken.“

Wenige Tage nach dem Mauerfall 1989 gründete sich der „Erste Weibliche Aufbruch“ (EWA) in der Volksbühne. „Die Idee, Frauenräume zu schaffen, gab es schon vor der Wende“, sagt Hömberg, die sich als Politologin lange mit innerdeutschen Beziehungen beschäftigt hat. Konzepte hätten in der Schublade geschlummert. Deshalb sei alles sehr schnell gegangen „Die Frauen wollten einerseits etwas für sich tun, sich andererseits mit feministischen Themen auseinandersetzen“, beschreibt Hömberg das Konzept. Etwas Eigenes sollte entstehen. Etwas, was nicht von oben durchorganisiert werden sollte.

Die meisten EWA-Frauen kamen aus Prenzlauer Berg, waren größtenteils im Neuen Forum organisiert. Die heute 32-jährige Hömberg stieß als Westlerin im Sommer 1990 zu EWA dazu. Der Bezirk überließ ihnen ein Teil des Hauses Prenzlauer Allee 6. Dort war früher ein Jugendclub, die obere Etage wurde von der Staatssicherheit genutzt. „Wir hatten deshalb ganz schnell Telefon“, grinst Hömberg.

Am 20. April 1990 zog EWA ein. Das Zentrum wurde eine nachgeordnete Einrichtung des Magistrats, bekam sechs Stellen finanziert. „Das waren goldene Zeiten für uns“, erinnert sich Hömberg. Sehr schnell wurden psychosoziale Beratungen angeboten, weil immer mehr Frauen arbeitslos wurden. „Da ging es auch um ganz praktische Hilfe wie Formulare ausfüllen.“

Probleme zwischen Ost- und Westfrauen hat es kaum gegeben. Natürlich war die Sprache anders, sagt Brigitte May, die das Archiv führt und aus dem Ostteil kommt. Doch: „Wir waren alle sehr neugierig aufeinander und haben die Unterschiede stehen gelassen“, erinnert sich May. Die Ostfrauen hatten weniger Probleme damit, wenn Männer die Frauenräume betraten. Konsens wurde, dass Männer nur in Begleitung von Kindern und Frauen im Café erscheinen durften.

Doch als EWA 1991 der Senatsverwaltung für Frauen zufiel, wurde die Finanzierung drastisch beschnitten. Drei Stellen wurden gekürzt. Damit nicht genug: 1996 wurde das Gehalt, die Sach- und Honarmittel um jeweils 10 Prozent gekürzt. Im Vergleich: 450.000 Mark inklusive Miete, Räume, Gehälter bekam EWA 1991. Heute sind es schlappe 320.000 Mark. Die Öffnungszeiten mussten reduziert werden.

Durch die wenigen Mittel wird die Arbeit sehr mühsam: „Wir haben knapp 400 Mark für Kulturveranstaltungen im Monat“, bedauert Hömberg. EWA sucht deshalb SponsorInnen und SpenderInnen. Das gestaltet sich schwierig: „In Deutschland gibt es im sozialen Bereich keine Sponsoring-Kultur“, sagt Hömberg. „Das ist immer noch ein irrer bürokratischer Aufwand.“

Auch sonst hat sich die Arbeit in den vergangenen Jahren verändert: „Wir spezialisieren uns immer mehr“, sagt Hömberg. Die Frauen wollten weniger Hilfe zur Selbsthilfe, zeigten weniger Eigeninitiative. Es müsse etwas geboten werden. EWA, so resümieren die Mitarbeiterinnen selbstkritisch, habe sich ein wenig zu einem Dienstleistungszentrum entwickelt. Die Konsumentinnen-Haltung sei gestiegen.

Mit anderen Frauenprojekten ist EWA deshalb seit einiger Zeit in einem Diskussionsprozess. „Wir wollen eine Neubestimmung, was Frauenzentren im Jahr 2000 vermitteln sollen.“

Heute gibt es bis 11 Uhr einen Empfang mit Imbiss. Ab 20 Uhr wird gefeiert mit den Gabys und Disco mit DJ Silvana & Cat

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