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Helden der Arbeit

Vom Dienstboten zur Servicegesellschaft: Die Ausstellung „Der Gehilfe“ im Museum fürGestaltung, Zürich, untersucht die Geschichte des Dienstleistungswahns im 20. Jahrhundert

von ULRICH GUTMAIR

„Service ist alles“, titelte der Hochschulanzeiger der FAZ vor kurzem. Zumindest steht der Begriff noch über „Entertainment“ und „Kommunikation“ an der Spitze der Heiligen Dreifaltigkeit der Neuen Ökonomie. Wenn man von der Lobpreisung der Dienstleistung noch etwas weiter Abstand nimmt, bedeutet Service aber vor allem eine Menge Arbeit, und zwar auf beiden Seiten der imaginären Theke, die die Welt in zwei Bereiche trennt: Servicenehmer, denen diese Erkenntnis nicht ganz einleuchtet, können sich derzeit im Zürcher Museum für Gestaltung überzeugen lassen.

Schon in der Eingangsschleuse zur Ausstellung geht der Serviceterror los: Ein Flowchart, das jedem Büroarbeiter bestens bekannt sein dürfte, erklärt unbedarften Besuchern mit funktionalem Charme, was sie an welcher Stelle des Austellungsraumes erwartet. Es sind dies drei Bereiche, die die Geschichte des Dienens vom Dienstboten des 19. Jahrhunderts über die Automatisierungswellen des 20. Jahrhunderts bis hin zur modernen korporativen Dienstleistung und ihrem Servicedesign behandeln. Überall im Ausstellungsbereich klingeln in diesem Sinne dann auch Telefone, sobald man in ihre Nähe kommt: „Grüezi, wir danken für Ihr Interesse und verbinden Sie gerne mit einer Auskunftsperson.“ Das Museum für Gestaltung bedient sich mit ironischer Distanz der ganzen Palette moderner Dienstleistungsmaßnahmen; es gibt Banner, Hinweisschilder, Promovideos, interaktive Techniken und wie bereits erwähnt: Flussdiagramme.

Das Lesen solcher Flussdiagramme verlangt Aufmerksamkeit und kostet Interpretationsarbeit, vermittelt am Ende aber nicht viel mehr als ein unbestimmtes Gefühl des Wohlunterrichtetseins. Und ums gute Gefühl geht es in erster Linie, auch wenn die Inanspruchnahme solcher Dienste inzwischen vom Kunden mindestens genauso viel Zeit und Expertise fordert wie vom Anbieter.

Im Rückblick erscheinen die Dienstboten daher als kompetente HeldInnen der Dienstleistungsgesellschaft. Den Hintergrund der musealen Auseinandersetzung mit den prekären ökonomischen und psychischen Abhängigkeiten zwischen Arbeitgeber und Personal bilden allerdings die Erlebnisse des schweizerischen Schriftstellers Robert Walser, der sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts in Firma und Haushalt eines Unternehmers verdingte. Seine Erkenntnisse fasste Walser in seinem Roman „Der Gehülfe“ zusammen: „Wie schön war es, jemandem anzugehören, in Hass oder in Ungeduld, in Missmut oder in Ergebenheit, in Liebe oder in Wehmut.“

Tatsächlich blieb den aus dem Stand des Gesindes hervorgegangenen Dienstboten nicht viel anderes übrig, als sich eine Sympathie für die Herrschaften anzutrainieren. Auf Dias reproduziert die Ausstellung zeitgenössische Klischees vom Hausmädchen als flatterhaftem Wesen, das an Türen lauscht, aber auch die zahlreichen Thematisierungen sexueller Übergriffe von Hausherren auf ihr weibliches Personal.

Diese Probleme schienen spätestens nach dem Zeiten Weltkrieg erledigt, als die Automatisierung der Haushalte Hausfrauen und Angestellten eine neue Autonomie versprach. Arbeiten, die sich nicht von den schnittig geformten und mit beeindruckenden Namen versehenen Mixern, Waschmaschinen, Staubsaugern, Massagegeräten und elektrifizierten Küchenzeilen erledigen ließen, wurden an moderne Dienstleistungsunternehmen delegiert.

Apotheose dieser Automatisierungsfantasien des 20. Jahrhunderts ist der Roboter. Als putziges „Museomobil“ verkleidet, tut auch er im Ausstellungsservice seinen Dienst. Unbeirrt folgt er einem vorgegebenen Leitsystem und deklamiert ausgewählte Literatur via Lautsprecher: „Hierarchien werden praktischerweise mit äußerlichen Erkennungszeichen wie zum Beispiel Dienstuniformen gekennzeichnet.“

Im Zuge der Digitalisierung von Service mit medialen Informationsagenten scheinen Hierarchien aber überflüssig geworden zu sein. Vor dem Computer sitzend, wird die Dialektik von Herr und Knecht durch die Interpretation eigener Bedürfnisse mittels intelligenter Software aufgehoben. „Der Gehilfe“ folgt auch dieser Entwicklung mit Humor und lässt für jeden Besucher am Computer einen „typgerechten“ Weg durch die Ausstellung errechnen. „Personalisierung“ ist das Stichwort, das heute in keiner Marketingstrategie von McKinsey und Co. fehlen darf. Mit ihrer Hilfe soll die möglichst exakte Befriedigung individueller Bedürfnisse in Technik gegossen werden. Die moderne Servicetechnologie will damit aus vergangenen Fehlern lernen, die Georg Simmel von einem Banner herab kritisiert: Die Perfektion der Dinge verhindere jene Befriedigung, die nur in der „Perfektion des Lebens“ zu finden sei.

Auch die zum wahren Ziel von Serviceangeboten gewordene Perfektion des Selbst ist zur Quelle ständiger Arbeit in Fitnesscentern und Freizeitparks geworden. Wenn man aber von diesem Dienst am eigenen Dasein einmal absieht, gelten für die Angehörigen der Serviceklasse, die in Putzkolonnen, Restaurantküchen oder Callcentern schuften, damals wie heute die mahnenden Worte Jonathan Swifts: „Ihr könnet euch unter einander zanken, so viel als ihr wollet, gedenket nur beständig daran, dass ihr einen allgemeinen Feind habet. Das ist euer Herr und eure Frau.“

„Der Gehilfe – vom Dienstboten zum Service-Design“. Bis 7. 5., Museum für Gestaltung, Zürich. Katalog: etwa 35 DM

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