: Grüne streiten über Gen-Check
Der Gesundheitsexperte Bernd Köppl stößt mit seinen Thesen zur Fortpflanzungsmedizin auf heftigen Widerstand in den eigenen Reihen. Alte Prinzipien und neuer Pragmatismus stehen sich gegenüber
Bei den Berliner Grünen ist ein heftiger Streit um die Grenzen der Fortpflanzungsmedizin ausgebrochen. Zehn Funktionsträger der Partei, darunter fünf Abgeordnete, übten in einem offenen Brief heftige Kritik an ihrem Parteifreund Bernd Köppl. Der Gesundheitsexperte hatte sich in einem taz-Interview dafür ausgesprochen, dass ein künstlich befruchteter Embryo vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf Erbkrankheiten untersucht werden darf, wenn die Frau es wünscht. Köppls Kritiker werfen dem Abgeordneten vor, er öffne mit diesem Vorschlag „die Tore für eine prinzipiell grenzenlose eugenische Selektion“.
Der Konflikt um die so genannte „Präimplantationsdiagnostik“ gewinnt derzeit an Schärfe, weil der Bund die Fortpflanzungsmedizin durch ein neues Gesetz regeln will. Die grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer will den Gen-Check im Reagenzglas wie bisher verbieten, auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Monika Knoche, lehnt ihn ab. Dagegen hat sich die Bundesärztekammer dafür ausgesprochen – allerdings gegen den Widerstand einiger Landesverbände, darunter der Standesorganisation in Berlin.
Während sich Köppl in seiner Argumentation auf das „Selbstbestimmungsrecht der Frau“ beruft, befürchten seine innerparteilichen Gegner durch die Tests eine „Fremdbestimmung durch den Arzt“. Eine „scheinbare individuelle Selbstbestimmung“ werde missbraucht, „um vorgegebene eugenische Interessen der Gesellschaft durchzusetzen“.
Darüber hinaus stilisieren beide Seiten die Frage zu einem Grundsatzkonflikt zwischen Prinzipientreue und Modernisierung. So will Köppl „das, was in der Gesellschaft vorwärts geht, in die grüne Partei einbringen“. Dagegen warnen die Autoren des offenen Briefs, der auf den Abgeordneten Hartwig Berger zurückgeht: „Die Bündnisgrünen sollten nicht blindem Fortschrittsglauben hinterherlaufen, sondern bei ihrer kritischen Haltung gegenüber der Gentechnologie bleiben.“
Auf ihrer Fraktionssitzung in der kommenden Woche wollen die 18 Abgeordneten zu einer gemeinsamen Position finden. Eine Mehrheit von ihnen, glaubt die Sozialpolitikerin Elfi Jantzen, stehe dem Gen-Test „eher skeptisch bis ablehnend“ gegenüber. Köppl hingegen weist darauf hin, dass nur 5 Abgeordnete den Protestbrief gegen ihn unterschrieben hätten. Die übrigen 13 hofft er noch überzeugen zu können. Ein „längeres Diskussionspapier“ hat er schon vorbereitet.
Nach dem Vorschlag der Bundesärztekammer soll Eltern mit schweren Erbkrankheiten die Zeugung im Reagenzglas mit anschließendem Gen-Check angeboten werden. Dabei trennen Mediziner dem Embryo im Achtzellerstadium eine Zelle ab, die dann genetisch untersucht wird. Der Embryo wird nur in den Mutterleib gepflanzt, wenn kein genetischer Defekt festgestellt wird. Nach Ansicht der Kammer ist das Verfahren, das in anderen europäischen Ländern bereits angewendet wird, nach deutschem Recht zulässig. Das Bundesgesundheitsministerium sowie Fachpolitiker aus Regierung und Opposition sehen das anders: Nach ihrer Ansicht ist diese Art der Diagnostik durch das Embryonenschutzgesetz untersagt.
RALPH BOLLMANN
Zitat:GRÜNE GEGEN KÖPPL:„Diese Diagnostik öffnet die Tore für eine prinzipiell grenzenlose eugenische Selektion.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen