: 50 Zeilen Ärger
Wie war das mit dem Brecht und der Weigel?Carola Stern behauptet: „Männer lieben anders“
„Sie saßen in seinem schummrig erleuchteten Arbeitszimmer, tranken warme Milch zusammen und redeten von alten Zeiten. Zärtlich ging er auf sie zu, strich ihr über das Gesicht und bat sie flüsternd, ihm noch einmal das Lied (...) von dem ungetreuen Matrosen und seinem jungen Mädchen vorzusingen“ – na, wer mag denn das wohl sein? Ein Rosamunde-Pilcher-Paar? „Und während Lenya wie in alten Zeiten sang (...), wischte Brecht sich die Tränen aus seinen kleinen Augen.“ Lenya und Brecht?! Schön!
„Männer lieben anders“ lautet der auflagengeile Titel des Buches. Er soll die Beziehung von Helene Weigel und Bertolt Brecht covern. Die Autorin heißt Carola Stern, und sie schreibt, als wäre sie dabei gewesen. „Jede der drei hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Gefährtin des Genies zu sein, ihm zu helfen, ihm zu dienen. Sie liebten Brecht, er liebte sie, jede auf eine besondere Art ... Brecht fühlte sich belebt, verjüngt wie jeder neu verliebte vierzigjährige Ehemann.“ Gut für ihn! Aber dass hier ein paar Leute den hundertsten Geburtstag von Helene Weigel zum Kommerz-Anlass für einen Schmachtfetzen genommen haben, ärgert schon ziemlich. Die „Weibergeschichten“ ihres anders liebenden Ehemanns fand Helene Weigel nämlich gar nicht lustig, und das wäre doch mal ein Anhaltspunkt zum Nachdenken gewesen: die Gebrochenheit sogenannter starker Frauen in diesem Punkt. Aber nebbich: Helene Weigel war eine „wunderbare Mutter“. Na dann! FRAUKE MEYER-GOSAU
Carola Stern: „Männer lieben anders“, Rowohlt Berlin, 2000. 223 Seiten, 36 DM
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