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Erst in den Knast, dann in die Volksbühne

Mitte Mai startet das Festival „Theater und Gefängnis“ mit Becketts Klassiker „Endspiel“. Auch „Ausbruchsversuche“ sind Thema

Mittäter auch aus anderen europäischen Ländern erwartet die Volksbühne zu ihrem „Knastfestival Theater und Gefängnis“. Dafür öffnen sich vom 6. bis 11. Mai Gefängnistore von Berliner Anstalten und am 12. und 13. Mai alle Räume der Volksbühne. Anliegen ist es, Theater hinter Gittern einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, teilte das Theater mit.

Initialzündung für die Knastarbeit von Theaterleuten war 1957 Herbert Blaus Aufführung von Becketts „Warten auf Godot“ vor 1.400 Häftlingen im amerikanischen Gefängnis San Quentin. Der daraufhin vom Häftling Rick Cluchey gegründete, heute legendäre San Quentin Drama Workshop fand viele Nachahmer, die aber selten wirklich von Publikum gesehen werden.

Die Knasttheaterkompanie der JVA Tegel AufBruch, 1997 von Roland Brus und Holger Syrbe gegründet, ist das größte deutsche Projekt dieser Art. Sie zeigt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel Becketts Klassiker „Endspiel“ in der Regie von Brus.

In anderen JVAs werden ein Gastspiel des Gefangenentheaters der JVA Bautzen mit „Der Fehler“ und eine mit inhaftierten Frauen erarbeitete Aufführung der Mailänder Regisseurin Donatella Massimilla (Centro Europeo Teatro e Carcere) unter dem Titel „Rote Schuhe“ zu sehen sein.

In die meisten Projekte sind eigene Erfahrungen der Protagonisten eingeflossen. So zeigt die Theatergruppe des Frauengefängnisses in Madrid, deren Gastspiel erst durch eine europäische Ausnahmeregelung möglich wurde, „Farcen und andere Perversitäten“, einen „typisch spanischen Reigen über Liebe, Tod, Theater und Gefängnis“.

Aus Italien kommen TAM, jugendliche Straftäter, die im halb-offenen Vollzug leben und in einem Theaterprojekt „eigene Seelenbilder“ entworfen haben. „Escape Artists“, eine Gruppe Exlebenslänglicher aus England, laden zu einer selbstzerstörerischen Reise durch die Unterwelt und den Sumpf von Drogen und Kriminalität unter dem Titel „Blagger“ ein.

Der schwedische Schauspieler Jan Jönson berichtet in „Moments of Reality“ von Ausbruchsversuchen seiner inhaftierten Schauspieler und von der Dramatik, die Beckett-Stücke vor inhaftiertem Publikum entfalten. Regisseure aus Italien, England, Nordirland und Polen, deren Darsteller hinter Gittern bleiben mussten, halten Vorträge und zeigen Videos.

Ferner wollen Knasttheatermacher aus aller Welt über „Ausbruchsversuche“ diskutieren.

Für die öffentlichen Veranstaltungen in Gefängnissen sind Karten nur im Vorverkauf in der Volksbühne zu haben. Persönliche Voranmeldung und Sicherheitsprüfung sind erforderlich. Tickets sind nicht übertragbar. Das Theater weist ausdrücklich darauf hin, dass „Wertgegenstände, Waffen, Nachrichten und Drogen“ nicht mit ins Gefängnis gebracht werden dürfen. adn

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