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Die Macht des Ajatollahs

Ali Chamenei, der mächtigste Mann Irans, nähert sich den Reformern Chatamis an. Die nächsten vier Wochen sind entscheidend für das Schicksal des Landes

BERLIN taz ■ Der oberste Führer Irans, Ajatollah Ali Chamenei, hat in den verschärften Machtkampf zwischen Reformern und Konservativen eingegriffen. Chamenei rief die rivalisierenden Lager am Mittwoch zur Einheit auf und versicherte Präsident Mohammad Chatami ausdrücklich seiner Unterstützung. Der Führer des Wächterrates kritisierte, „einige Personen“ hätten seine Warnungen vor einer zu liberalen Presse als Zeichen gedeutet, er sei gegen den Präsidenten. Das sei falsch. Der Streit um das Verbot von 13 reformorientierten Zeitungen solle beendet werden, forderte er.

Auffallend ist, dass Chamenei kein Wort darüber verlor, an wen er seine Forderung richte. Konsequenterweise müsste er auch sich selbst meinen. Der 60-Jährige gilt als Leitfigur der Konservativen. Auch wenn er sich nie eindeutig auf eine Seite schlug, identifizieren ihn die meisten Iraner mit dem fast schon verzweifelten Versuch älterer Kleriker, die von Ajatollah Chomeini geschaffene Theokratie um jeden Preis zu erhalten. Einige Stimmen meinen, dieser Preis könne sogar die gewaltsame Entmachtung des liberalen Präsidenten sein.

Für einen Staatsstreich der Konservativen spricht allerdings wenig. Zu breit ist inzwischen die Basis der Reformer in nahezu allen Bevölkerungsschichten. Neben der Einschätzung, Chamenei bemühe sich mit seinen jüngsten gemäßigten Aussagen, die angespannte Situation in Iran zu entschärfen, stehen Vermutungen, der Ajatollah wolle sich rechtzeitig auf die Seite der Gewinner schlagen. Am 27. Mai konstituiert sich das neue iranische Parlament. Darin stellen die Reformer mit 175 von 290 Mandaten die absolute Mehrheit. Bleibt ihre Unterstützung in der Wählerschaft wie zu erwarten konstant, könnten sie durch die auf den 5. Mai datierten Nachwahlen sogar eine Zweidrittelmehrheit erreichen. Dann stünden der Reformpolitik des Präsidenten nur noch der Wächterrat, die Justiz und der Sicherheitsapparat im Weg.

„Nur“ ist in diesem Zusammenhang aber ein großes Wort. Stemmt der Wächterrat sich weiter gegen Reformen, werden es Chatami und seine Anhänger schwer haben. Mühsam wird jede weitere Öffnung – wie etwa eine bereits angekündigte Liberalisierung des Pressegesetzes – zu erkämpfen sein. Der oberste Wächter Ali Chamenei könnte in einer behutsamen Vermittlung zwischen den rivalisierenden Lagern dem Reformgedanken das entscheidende Gewicht geben. Oder er könnte die aufkeimende Saat der Reformen niedertrampeln. Seine jüngsten Äußerungen lassen auf die erste Variante hoffen. FLORIAN HARMS

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