piwik no script img

Kann. Muss aber nicht

■ Die Welt ist, wie sie ist. Doch in der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK) in der Weserburg flüstern sechs junge KünstlerInnen der Maastrichter Jan van Eyck Akademie, dass sie auch ein wenig anders sein könnte

Zu sehen gibt es ziemlich wenig. Drei TV-Geräte, viel Kabelsalat, ein paar Zeichnungen an den Wänden, hier und da einige Holzkästen in unterschiedlichen Farben und Größen. Wenige Plakate zieren die Wände, und im hinteren Teil der Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK) liegt ein kleiner goldener Scheißhaufen neben einem großen, hoch aufgeschossenen Kaktus – die Kunst, die internationale zumal, ist zuweilen nicht nur skurill, sie ist in ihren Mitteln auch bescheiden geworden.

Dabei mangelt es dem in der GAK sich präsentierenden Sextett aus England, Deutschland, Holland, Kroatien, Japan und Israel nicht an den großen Themen zwischen Identitätskrise und Weltschmerz. Doch in den Arbeiten der SchülerInnen der Maastrichter Jan van Eyck Akadamie dominieren die ambivalenten Zwischentöne, waltet eine eigentümliche Zurückhaltung, die anstelle der gewaltigen Thesen allenfalls noch stille Vorschläge formuliert.

Der Engländer Ben Cain etwa spielt in seiner Installation mit dem Unbehagen, das den Betrachtenden angesichts steril anmutender, futuristischer Raum- und Stadtteilkonzeptionen überkommt. Der kühlen High-Tech-Architektur, wie Cain sie am Beispiel zweier Entwürfe an einer Wand der GAK illustriert, begegnet er aber nicht mit schroffer Ablehnung, sondern mit der subtilen Suche nach kleinsten Anzeichen von subversiver Gegenwehr, die er bereits in einem mit Kunstplakaten übersäten Tisch oder in einem Tonband erblickt, auf dem die wiederholten Versuche eines Musikers zu hören sind, mit einem Bass eine Melodie einzuüben. Wo Menschen leben und ihre winzigen Spuren hinterlassen, ist selbst im sterilsten Ambiente zumindest die Ahnung zugegen, dass die Welt immer auch eine andere sein könnte.

Auch die Arbeit der Kroatin Tina Gverovic kreist um die Frage, ob innerhalb eines standardisierten und normierten Raumes überhaupt noch persönliches Erleben möglich ist. Aus zwei Boxen dringen zwei Frauenstimmen, die von ihren Erfahrungen als Hörerinnen und Produzentinnen von Radiosendungen erzählen. Ihre Versuche, eigenes Erleben zu schildern, werden konterkariert von zwei zeitgleich zu hörenden Remixen, die aus jenen Schilderungen der beiden Frauen bereits selbst wieder Radiobeiträge haben werden lassen – freilich entkleidet aller Inhalte und reduziert auf eine Tonspur, bei der nur noch der Sprachrhythmus dominiert. Globale Dorfmusik, die gerade deshalb überall verständlich ist, weil sie im Grunde nichts mehr erzählt.

Die Japanerin Mie Nagai hingegen erzählt in kleinen, in der GAK lose verteilten Tuschezeichnungen von der Gleichzeitigkeit, mit der sich dieser zunehmend universal gebärdende „Rhythmus wo man mit muss“ vermengt mit völlig anderen, traditionellen Lebenswirklichkeiten. Ihr vielteiliger, auf mehreren, übereinander liegenden Ebenen angeordneter Comicstrip schildert einen Tag im Leben einer mehrköpfigen japanischen Familie. Während etwa eine junge, gehetzte Frau mit dem Vorortzug durch die dunkle Nacht ruckelt, um in der Großstadt ihren Arbeitsplatz zu erreichen, sitzt ihre alte Großmutter im Bademantel mit leerem Blick vor dem TV, während ihr Enkel zur gleichen Zeit in einem reißenden Fluss stehend die Angel auswirft. Nichts verbindet diese parallel ablaufenden Ereignisse miteinander, und doch geschehen sie im selben Augenblick im gleichen Land innerhalb eines Familienverbandes. One world, für die aber, glaubt man den eigentümlich melancholischen Antlitzen der meisten Figuren, keine rechte Begeisterung aufkommen will. zott

Eröffnung der Ausstellung „Was tun, wenn nichts geschieht“: heute, 29. April, 17 Uhr. Neben den drei erwähnten KünstlerInnen sind außerdem bis zum 18. Juni Arbeiten von Pascale Gatzen (NL), Gregory S. Maas (D) und Nira Zeit (Israel) zu sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen