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Alleebäume ins Abseits

Neue Bäume an Straßen sollen künftig zehn Meter Abstand von den Rasern halten, das sieht ein umstrittener Richtlinienentwurf vor. Viele Gemeinden füllen ihre Alleen schon jetzt nicht mehr auf

von MALTE KREUTZFELDT

In Deutschlands Alleen klaffen derzeit viele Lücken: Wie üblich werden alte Bäume gefällt – doch immer seltener neue angepflanzt. Die Berichte ähneln sich, egal ob im nordrhein-westfälischen Aachen oder im brandenburgischen Märkisch-Oderland. Hier wie dort werden an Land- und Bundesstraßen derzeit keine Alleebäume ersetzt. Allein in Märkisch-Oderland fielen in zwei Jahren knapp 4.000 Bäume der Säge zum Opfer. Wenn überhaupt, wurden Ersatzbäume abseits der Straßen gepflanzt, berichten Umweltschützer.

Eine Sprecherin des brandenburgischen Verkehrsministeriums bestätigt diesen Eindruck gegenüber der taz: „An Hauptverkehrsstraßen pflanzen wir keine neuen Bäume mehr.“ Wolfgang Mädlow, Geschäftsführer des Naturschutzbundes (Nabu) Brandenburg, sieht darin die ersten Auswirkungen einer umstrittenen neuen „Richtlinie zum Schutz vor Baumunfällen“. Diese wird zur Zeit im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums von der Kölner „Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen“ (FGSV) erarbeitet.

Ein erster Entwurf gelangte bereits im Februar an die Öffentlichkeit und sieht vor, Straßenbäume künftig nur noch im Abstand von mindestens zehn Metern Distanz zur Fahrbahn pflanzen zu lassen. Für Mädlow bedeutete diese Regelung das Ende der Alleen. Gerade in Ostdeutschland seien die Straßenbäume so alt, dass in den nächsten Jahren ein großer Teil ersetzt werden müssen. Nachpflanzungen in zehn Meter Entfernung würden an den Kosten für den notwendigen Grundstückskauf scheitern.

Der Entwurf war daher auf scharfe Kritik gestoßen. Nicht nur Naturschutzverbände, auch der Deutsche Städtetag und zahlreiche Tourismusverbände setzten sich für den Erhalt der Alleen ein. Umweltminister Jürgen Trittin forderte Verkehrsminister Reinhard Klimmt gar öffentlich auf, die Sicherung des Alleebestands „unmissverständlich als Ziel der Regierung hervorzuheben“.

In Klimmts Ministerium will man von einer Gefahr für die Alleen jedoch nichts wissen. Nach Lesart eines Sprechers bezieht sich der im Richtlinienentwurf vorgesehene Zehnmeterabstand lediglich auf die Neuanlage von Alleen. „Bestehende Alleen sollen auch in Zukunft geschützt werden“, hatte Minister Klimmt im März erklärt. „Andererseits muss das Unfallgeschehen, wenn es auf dicht am Fahrbahnrand befindlichen Baumbestand zurückzuführen ist, ernst genommen werden.“ Eine Formulierung, die Naturschützer skeptisch macht, ob am Ende nicht doch eine Reihe von Alleen empfindlich zurechtgestutzt werden könnte.

Die Forschungsgesellschaft, die den Entwurf erarbeitet, hält denn auch an ihrer Zehnmeterregel fest – auch in bestehenden Alleen. Das bestätigt nun Peter Meinefeld von der FGSV gegenüber der taz. Die Diskussion über die Richtlinie sei aber noch nicht abgeschlossen.

Bundesweit sterben jedes Jahr über 1.800 Menschen, die von der Straße abkommen und an einem Baum fahren. Das ist sicher ein guter Grund, über die Sicherheit auf den Alleen nachzudenken. Ein Abholzen vieler Bäume sei dazu aber nicht nötig, erklärt die Umweltorganisation Robin Wood. „Auch durch eine Kombination aus Tempolimit, verstärkten Alkoholkontrollen und Leitplanken an gefährlichen Stellen lassen sich die Unfallzahlen deutlich vermindern“, sagt Verkehrsreferentin Steffi Barisch. Alles andere bedeute einen „schleichenden Tod der Alleen“.

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