: Eine gute Wahl
Ninon Colneric wird die erste deutsche Europarichterin. Die habilitierte Juristin ist Feministin und die zweite Frau am Europäischen Gerichtshof
Wie ein Kommandounternehmen hat Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) die Ernennung von Ninon Colneric durchgezogen. Die bisherige Präsidentin des Kieler Landesarbeitsgerichts (LAG) soll neue deutsche Richterin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg werden. Hellsichtige Medien hatten zwar schon vor Wochen auf die 51-Jährige getippt. Doch aus dem Justizministerium hieß es bis kurz vor ihrer offiziellen Ernennung nur: „Kein Kommentar.“ Es scheint, als habe Däubler-Gmelin jede innenpolitische Diskussion um ihre Kandidatin von vornherein vermeiden wollen.
Diskussionen um Colneric gab es schon 1989, als die neue SPD-Landesregierung sie als schleswig-holsteinische LAG-Präsidentin durchsetzte. CDU und Unternehmerverbände sprachen von „rotem Filz“ und mangelnder richterlicher Erfahrung. Tatsächlich war die Juristin zuvor nur einige Jahre als einfache Arbeitsrichterin tätig. Was die Kritiker jedoch übersahen: Colneric hatte nebenbei noch Uni-Karriere gemacht, in Bremen und Frankfurt gelehrt und sich habilitiert. „Manche Leute hatten da eben Schwierigkeiten mit meiner atypischen Laufbahn“, sagt sie heute, und es klingt eher nachsichtig.
Dabei war ihre Karriere nach dem furiosen, aber umstrittenen Start erst einmal blockiert. Zwar wurde sie immer wieder für höhere Positionen gehandelt, kam letztlich aber nie zum Zuge. So galt sie vor vier Jahren bereits als neue schleswig-holsteinische Justizministerin, doch dann wurden Justiz- und Europaministerium zusammengelegt und gemeinsam von Gerd Walter verwaltet. Vor knapp zwei Jahren sollte Colneric dann als Verfassungsrichterin nach Karlsruhe gehen. Die SPD hatte sie vorgeschlagen, doch die CSU blockierte. Colneric sei ihr zu links und zu feministisch, hieß es. Colneric ist bis heute parteilos.
In ihren wissenschaftlichen Veröffentlichungen beschäftigte sich die profilierte Juristin vor allem mit dem Streikrecht und den Problemen von Frauen im Erwerbsleben. Letzteres dürfte ihr auch als Europarichterin dienlich sein, weil sich der EuGH schon häufig gegen die Benachteiligung von Frauen – etwa bei der Teilzeitarbeit – eingesetzt hat. Dabei ist Colneric in dem 15-köpfigen Gremium erst die zweite Richterin. Als erste wurde vor einigen Monaten die Irin Fidelma Macken gewählt. Zuvor bestand der EuGH 47 Jahre lang nur aus Männern. Auch deshalb war es Däubler-Gmelin wichtig, eine Frau in das wichtige Gericht zu entsenden. Am 14. Juli soll Ninon Colneric vereidigt werden. Sie ersetzt Günter Hirsch, der Präsident des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe wird. CHRISTIAN RATH
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