koalitionskrach: DIEPGENS AFFRONT
Eberhard Diepgen weiß, was er tut. Und er weiß genau, was er dem Koalitionspartner zumutet. Ohne Absprache mit der SPD hat Justizsenator Eberhard Diepgen (CDU) beschlossen, in der Staatsanwaltschaft wieder eine Abteilung für politische Delikte einzuführen. Das ist bereits der zweite Affront, den sich die CDU in kürzester Zeit gegenüber dem Koalitionspartner geleistet hat.
Diepgen hat es geradezu darauf angelegt, die Koalition einer Belastungsprobe auszusetzen. Erst vor kurzem hatte Innensenator Werthebach im Alleingang angekündigt, den skandalgebeutelten Verfassungsschutz direkt seiner Obhut zu unterstellen. Auch damit brüskierte er die SPD.
Dennoch hat der Regierende gute Chancen, aus dem Koalitionskrach als Gewinner hervorzugehen. Denn ihm gelingt es, die SPD wieder in eine Rolle zu drängen, die sie nach der schweren Wahlschlappe im vergangenen Oktober ablegen wollte. Statt Dauerstreit der Koalitionäre sollte Harmonie und der gemeinsame Erfolg das Bild bestimmen. Doch die SPD hat nicht davon profitiert, dass sie sich bisher aus Koalitionsräson zurückhielt.
Im Gegenteil. Ihre schwachen Proteste auf dem umstrittenen Gebiet der inneren Sicherheit wirkten vor allem hilflos. Die Proteste gegen Werthebachs Angriffe auf das Demonstrationsrecht verhallten ohne Erfolg. Auch seinen Plänen, sich selbst zum Verfassungsschutzchef zu machen, hat die SPD noch nichts entgegengesetzt. Dabei legt die CDU in der Inneren Sicherheit den Rückwärtsgang ein. Beide Vorhaben machen rot-grüne Reformen der Jahre 1989/90 rückgängig. Ob die SPD den Konflikt wagt, ist jedoch fraglich. Denn auf dem Terrain der Inneren Sicherheit stehen die Erfolgschancen schlecht. Die CDU stellt die Senatoren und sitzt am längeren Hebel. Ob Kuschelkurs oder Konfrontation – für die dritte Auflage der großen Koalition gilt: Sie zermürbt vor allem die SPD.
DOROTHEE WINDEN
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen