: Am siebten Tage sollst du streiken
Das Berliner Kaufhaus des Westens will erstmals am Sonntag öffnen. Doch die Belegschaft will ruhen
Das schöne Wetter wird morgen wieder die Berliner in Parks oder Cafés locken – andere werden shoppen gehen. Rund 1.000 Geschäfte haben geöffnet. Eine Sondergenehmigung anlässlich eines Chirurgenkongresses und des Fußball-Pokalendspiels macht’s möglich. Mit von der Partie ist erstmals auch das Kaufhaus des Westes, kurz KaDeWe, einst als „das Schaufenster des Westens“ für Ostdeutsche berühmt. In den vergangenen Jahren fiel das Nobelkaufhaus jedoch vor allem dadurch auf, dass es die sonntäglichen Ladenöffnungen der Konkurrenz stoisch ignorierte.
Damit soll jetzt Schluss sein – wenn es nach der Geschäftsführung geht. Von 12 bis 17 Uhr will das Kaufhaus in der Westberliner City seine Türen öffnen. Ob die erwarteten 80.000 Kunden jedoch in allen Abteilungen stöbern können, ist unklar. Denn die Belegschaft hat zu großen Teilen keine Lust auf Sonntagsarbeit. „Im Haus rumort es kräftig“, sagt Manfred Birkhahn, Landeschef der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV). „Wenn es zum Streik kommt, werden wir die Kollegen nicht im Stich lassen.“
Damit könnte es morgen zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik zu einem Streik gegen eine geplante Sonntagsöffnung kommen. Nach Ansicht der HBV wäre das nicht einmal illegal. Bereits im März hat die Gewerkschaft vorsorglich dem Berliner Einzelhandelsverband Verhandlungen über einen Arbeitszeit-Tarifvertrag angeboten. Gegenstand: Arbeitszeiten, die vom Ladenschlussgesetz zwar gedeckt sind, aber faktisch oft nicht beachtet werden – zum Beispiel die Zeit zwischen 16 Uhr am Samstag und 6 Uhr früh am Montag.
Laut Gesetz müssten in dieser Zeit alle Läden geschlossen bleiben. Ausnahmeregelungen gestatten allerdings Sondergenehmigungen – insbesondere Berlin macht davon reichlich Gebrauch. So reichte im vergangenen Sommer ein von Händlern organisiertes Brunnenfest am Ostberliner Alexanderplatz für die Öffnung des dortigen Kaufhofes. Kurze Zeit später stellte der damalige Kaufhof-Chef Günter Biere ein Benefizfest zu Gunsten der türkischen Erdbebenopfer auf die Beine, inklusive Genehmigung für die Sonntagsöffnung. Erst nach öffentlichen Protesten lies der Ladenschluss-Rebell Biere, der mittlerweile nach Frankfurt wechselte, die Türen zu.
Die Sondergenehmigungen seien rechtlich umstritten, meint Gewerkschafter Birkhahn. Deswegen strebe die Berliner HBV nun tarifvertragliche Regelungen an, die diese Arbeitszeiten ausschließen. „Wann sollen die Kollegen dafür streiken, wenn nicht an dem betreffenden Tag?“, fragt Birkhahn.
Die Gewerkschafter haben sich das KaDeWe gezielt ausgesucht. Im Gegensatz zu anderen Häusern verfügt die HBV hier über eine gewisse Basis. Auch der Betriebsrat – anderswo leicht in die Knie zu zwingen – hat sich bisher gegen die Sonntagsöffnungen gestellt. Und im Konflikt um die morgige Öffnung ist die KaDeWe-Beschäftigtenvertretung bei ihrem Nein geblieben – bis ein unabhängiger Schlichter in der so genannten Einigungsstelle für die Öffnung stimmte.
KaDeWe-Sprecherin Dagmar Flade bleibt gelassen. „Ich weiß nicht, was sich die Gewerkschaft ausgedacht hat. Wir sind in jedem Fall verkaufsbereit.“ Für Flade ist die Öffnung hauptsächlich eine Frage des Images. Wenn alle anderen Läden der West-City öffneten, müsse man mitmachen. „Alles andere fänden unsere Kunden ignorant.“
Flade hält das Ladenschlussgesetz für antiquiert, regelmäßigen Sonntagsöffnungen steht sie allerdings skeptisch gegenüber. „Die machen nur als Ausnahme Sinn.“ Schließlich sei der Samstag der Haupt-Einkaufstag – bis 18 Uhr. Heute muss sich das KaDeWe – am umsatzstärksten Tag der Woche – mit einer verkürzten Öffnung begnügen. Wer sonntags handeln will, so sieht es eine Vorschrift vor, muss am Tag zuvor bereits um 14 Uhr die Pforten schließen. RICHARD ROTHER
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