: Sturm auf die Botschaft
aus Quito INGO MALCHER
Taschenrechner sind auf den Märkten in Quito eher selten zu sehen. Die Preise werden in der Regel mit Bleistift und Papier zusammengerechnet. Als Computernation hat sich Ecuador bislang keinen Namen gemacht. In den Büros der öffentlichen Verwaltung stehen, wenn überhaupt, altertümliche Computer aus den Zeiten von Bill Gates Großvater.
Trotzdem konnte sich die Deutsche Botschaft in Quito vor Nachfragen von Arbeitssuchenden kaum retten, als eine der wichtigsten Tageszeitungen titelte: „Deutschland öffnet seine Türen.“ Die Telefonanlage der Botschaft war tagelang blockiert, täglich riefen Menschen an, die als Computerexperten nach Deutschland wollten. Der Grund für den Ansturm ist die desolate wirtschaftliche Situation des Landes. Im vergangenen Jahr konnte Ecuador einen Teil seiner Auslandsschulden nicht mehr bezahlen. Der Staat war pleite und es ist kein Ende der Krise in Sicht.
Viele Ecuadorianer sitzen daher auf gepackten Koffern und suchen nach einer Möglichkeit, das Land zu verlassen. Nicht wenige verstecken sich als blinde Passagiere auf Schiffen. Andere kratzen ihr letztes Geld für ein Flugticket nach Europa zusammen. Da kein Visumzwang zwischen der Europäischen Union und Ecuador besteht, können sie ohne Probleme einreisen. Allerdings haben in den vergangenen Monaten auch die Abschiebungen von Ecuadorianern aus Europa zugenommen. Seitdem die Nachricht von Schröders Green Card die Runde macht, ist Deutschland für viele zum Traumziel geworden.
Um der Krise zu entkommen wird schnell überlesen, dass Schröder nicht jeden ins gelobte Land holen will. Es meldeten sich auch Schweißer, Automechaniker und Schreiner. Viele verwandelten sich auch schnell in Computerspezialisten. Zwar wird an den Universitäten des Landes Informatik unterrichtet, allein – große Würfe sind damit nicht möglich. Wer in Ecuador beruflich mit Computern zu tun hat, der träumt von einer Zukunft andernorts. Informatiker verdienen bei Privatfirmen im Schnitt nicht mehr als 400 Dollar.
Um die Welle von Bewerbungen zu bremsen, meldete sich der deutsche Botschafter in Ecuador, Walter Nocker, in der Tageszeitung El Universo zu Wort. Er sagte: „Nur die besten Techniker aus anderen Ländern haben eine Möglichkeit, denn die weniger ausgebildeten haben wir selbst in unserem Land.“
Am Fuße der Anden ist in Ecuador kein südamerikanisches Silicon Valley entstanden. Die Computerindustrie ist in Ecuador mittelständisch. Und gerade der Mittelstand wurde durch das Anti-Krisen-Paket der Regierung fast komplett beseitigt. Als die Regierung pleite war und Geld brauchte, fror sie die Bankkonten privater Sparer ein. Das hat auch den wenigen Computerfirmen den Garaus gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen