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Mauern im Alltag einreißen

Behinderte protestieren bundesweit gegen Diskriminierung. Dem geplanten Gleichstellungsgesetz des Justizministeriums sehen sie skeptisch entgegen

BERLIN taz ■ Eine Antidiskriminierungsramme, eine Barriere aus Pappkartons vor dem Berliner Amtssitz des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung – viel Symbolisches zum gestrigen „Europäischen Protesttag für die Gleichstellung behinderter Menschen“, an dem sich bundesweit 100.000 Menschen beteiligten.

Die Methode Holzhammer scheint notwendig: Seit 1994 ist der Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ in der Verfassung verankert. Bereits im vergangenen Jahr hatte die „Aktion Grundgesetz“ vom Bundestag per Unterschriftenliste konkrete Gesetze eingefordert. Doch so leicht wie die Kartons vor dem Bundesarbeitsministerium in Berlin lassen sich die Hürden im Alltag nicht einreißen.

Ein Perspektivenwechsel von der reinen Fürsorge hin zu einer „Menschen- und Bürgerrechtspolitik“ sei notwendig, sagte Andreas Jürgens vom Forum behinderter Juristinnen und Juristen, das im Januar einen eigenen Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz vorgelegt hatte. Das Papier sieht unter anderem einen Grundsatz zur Förderung behinderter Frauen, eine Garantie für die Chancengleichheit gehörloser Menschen und einklagbare Normen im Baurecht vor. Der öffentliche Personenverkehr soll barrierefrei gestaltet und mit Hinweisen für Blinde und Hörgeschädigte ausgestattet werden.

Reinold Purmann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband in Berlin verwies auf das Gleichstellungsgesetz des Senats, das erhebliche Auswirkungen auf Politik und Verwaltung habe.

Das Bundesjustizministerium will nach Informationen der Behindertenverbände in der kommenden Woche seinen Entwurf für ein neues Sozialgesetzbuch vorlegen. Das 26 Artikel umfassende Paket solle als Mantel dienen, um ganz unterschiedliche Bereiche zusammenzuführen.

Das Ministerium lege dabei ein rasantes Tempo vor, sagte Ingrid Kettner, Geschäftsführerin des Verbandes Evangelischer Behindertenarbeit. Weder das Eckpunktepapier der koalitionsinternen Arbeitsgruppe vom September noch die Positionen der Verbände seien berücksichtigt worden. In Sachen Selbstbestimmung bleibe der Rohentwurf hinter dem Erreichten zurück. Behinderte könnten ihre Hilfsdienste nicht selbst auswählen.

Die Bundesregierung habe versprochen, den Neuansatz in der Behindertenpolitik durch gesetzliche Maßnahmen zu unterstützen, mahnte Andreas Jürgens. Doch der Jurist weiß auch: „Man kann eine diskriminierende Einstellung nicht einfach wegdekretieren.“ nm

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