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Streetsoccer als Werbespaß

Im Schatten des DFB-Pokalfinales trafen sich am Wochenende auf Einladung eines Sportartikelherstellers 800 Jugendteams auf dem Maifeld zum Kicken und Schokoriegelessen

von GERD DEMBOWSKI

„Seit Jahren haben böse Kräfte das Fußballspiel infiltriert: manchmal in Form von kontrollsüchtigen Managern, die fantasielose Systeme einführen.“ Bei diesen markigen Worten handelt es sich nicht und den Ausspruch einer Fani-Initiative, die sich das Spiel zurückholen will. Es geht um Werbung. Seitdem ein Reklamespot mit dem Dortmunder Fußballprofi Lars Ricken Anzugtypen und VIP-Logen offiziell zum Laster des modernen Fußballs erklärte, setzt der Sportartikelhersteller Nike genau auf diese Doppelmoral. Der Ausrüster will im Namen der Jugend sprechen und kritisiert das Business, das er selbst entscheidend mit anschiebt. Aus den europäischen Spitzenklubs werden Fußballstars von Oliver Bierhoff bis Lilian Thuram in ein sportliches „men in black“-Team beordert, um mit viel Tamtam den verlorenen Ball aufzuspüren.

Tanja Schulz, Mitarbeiterin des Adidas-Teams, findet den Spot des Marktkontrahenten „durchaus ganz nett gemacht“, sieht aber den ehrlicheren Anspruch in der eigenen „Predator Cup Tour“, die am Wochenende auf dem Maifeld am Olympiastadion Halt machte. „Mit 800 teilnehmenden Teams hier in Berlin und den anderen vier Turnieren von München bis Gelsenkirchen ist es das größte Streetsoccer-Turnier der Welt“, freuen sich die Adidas-PR-Manager. Die Sportartikelhersteller rühmen, dass es „die größte Offensive im deutschen Nachwuchsfußball“ ist, die ja seit dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 1998 und besonders nach den aktuellen Pleiten so dringend nötig erscheint.

Deshalb findet der DFB das Engagement seiner Hausmarke auch ganz toll und erlaubte als Schirmherr, dass der Berliner Adidas Predator Cup im werbewirksamen Schatten des Pokalfinales stattfinden durfte. Im Gegenzug konnten die Altstars Karl-Heinz Rummenigge und Uwe Seeler 4.000 Aktive aus dem gesamten Bundesgebiet und 30.000 erwartete Flaneure auf die WM 2006 in Deutschland einschwören. Abgesehen von großen Worten fuhr der DFB auf dieser Veranstaltung allerdings kaum etwas auf. Vier 2006-Werbebanden wurden zu einem Quadrat aufgebaut und begrifflich überladen als „Jonglier-Modul“ verkauft. Dabei sollten die Kids hier einfach nur den Ball jonglieren, um Trikots und Eintrittskarten für das nächste Freundschaftsspiel zu gewinnen.

Das Hauptanliegen der Werbeaktion im modernen Kleinfeldturniergewand ereignete sich auf 56 Plätzen, wo sich Kids von F- bis A-Jugend den ganzen Tag die pralle Sonne auf den Kopf knallen ließen. Mit ihnen ihre knapp beschürzten, aber sehr stolzen Eltern, die zum Glück Kühltaschen mitgebracht hatten. Ansonsten wären ihre Schützlinge auf einen Energydrink-Anbieter angewiesen gewesen.

Dazu „könnt ihr Snickers essen, bis ihr umfallt“, verkündete „ran“-Moderator Lou Richter auf seiner Bretterbühne. Die Schokoriegelfirma brachte auch ihren aufblasbaren „Action Park“ mit, in dem die Kids nebenbei ihre Zielwasser- und Kopfballfähigkeiten testen konnten.

Das ganze „Mega-Event“ war eingerahmt von Werbebanden und Promotionaktionen. „Uns geht es nur um den Spaß, die Leistungsorientierung steht nicht im Vordergrund“, sagte Adidas-Mitarbeiterin Schulz. Da ist sie sich mit Nike einig: „Jede Menge Fun“ und „coole Sprüche“.

Doch Fun ist immer noch ein „Stahlbad“ (Adorno). Über die Spaßschiene wollen Adidas & Co die Kinder im Zeichen ihres Predator-Fußballschuhs mit eingebautem Lenkrad weiter auf Konsum trimmen. Was auf den ersten Blick aussieht wie die Aufwertung des Hinterhoffußballs, wo abseits von Teamtaktiken wieder „Platz für Innovation“ (Adidas) geschaffen werde, ist nichts weiter als das Einstimmen auf einen gnadenlos kommerzialisierten Fußball mit integrierten Einkaufsstraßen und kaufanregender Erlebniswelt. Immer wenn jemand auf das Tor zielt, zielt er gleichzeitig auf dreistreifige Werbesymbole, die gut sichtbar über den Torlatten befestigt sind.

Dazu kommt ein so genannter Traxion-Parcours, wo jedes Team zusätzliche Punkte sammeln kann, indem eine gesichtslose Freistoßwand überzirkelt und ein Slalomparcours mit lebensgroßen Fußballstars aus Pappe umkurvt werden soll. Hier wird Starkult etabliert und einhämmernd mit Produktpaletten verknüpft, das Posing der „Fußballstars von morgen“ (Adidas) verstärkt. Darüber trösten auch Teamnamen wie „FC Barfuß hau in Sand“, „Verfolgte der Pädagogen der ehemaligen Hauptstadt der DDR“ oder „Aktivist Schwarze Pumpe“ nur kurz hinweg.

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