: Interkultureller Sport ist out
Die türkischen Fußballvereine der Stadt haben eine wichtige Integrationsfunktion. Doch zum Austausch kommt es immer weniger: Meist spielen die Deutschen in deutschen, die Türken in türkischen Klubs
Wer einmal in Kontakt mit dem ewigen Dreigestirn des türkischen Vereinsfußballs kommen möchte, der muss gar nicht weit fahren. Galatasaray, Fenerbahce und Besiktas können auch in Berlin bewundert werden. In der Landes-, Kreis und Freizeitliga wird der Kontakt zur türkischen Heimat gehalten.
Der erste der fast 30 türkischen Vereine, Türkspor, die fast ausschließlich in Kreuzberg, Neukölln und in Wedding beheimatet sind, wurde bereits 1965 gegründet. Daneben aber gibt es für jede Nationalität und Glaubensrichtung einen eigenen Verein innerhalb des Berliner Fußball-Verbandes (BFV). Von den ca. 100.000 BerlinerInnen, die organisiert Fußball spielen, ist etwa ein Drittel ausländischer Herrkunft, von diesen bilden die TürkInnen mit etwa 20.000 SpielerInnen die mit Abstand größte Gruppe.
Also alles multikulti, alles okay? Nein, im Gegenteil, fast kommt einem der rassistische Konsens der weißen amerikanischen Südstaaten in den Sinn, „separate, but equal“. Jeder treibt seinen Sport, die Türken in türkischen, die Deutschen in deutschen Vereinen. Genau wie in der bundesdeutschen Gesellschaft gibt es auch im Sport ein kulturelles Roll-back, Integration und Vermischung der Kulturen scheinen out zu sein.
Die TürkInnen, viele davon deutsche StaatsbürgerInnen, schaffen sich ihre eigene kulturelle Infrastruktur mit Restaurants, Radiosendern, Zeitschriften – und Sportvereinen.
Im letzten Jahr veröffentlichte das Berliner Institut für vergleichende Sozialforschung eine Studie über den Berliner Amateursport, die belegt, dass sich aktuell etwa 55 Prozent aller Sport treibenden TürkInnen in rein türkischen Klubs engagieren, vor zehn Jahren waren es erst 44 Prozent.
Der BFV kann diesen Trend leider bestätigen. „In den Vereinen finden sie ihren Kreis, ihre Freundschaften, da treffen sie andere Türken, und da ist ja auch noch die Ausländerfeindlichkeit, die ist einfach da“, sagt Gerd Liesegang, stellvertretender Vorsitzender der Integrations-AG innerhalb des BFV.
Liesegang hat diese mehrfach erlebt. Bei den Erwachsenen- und Altherrenmannschaften passiere nicht so viel, aber „im Jugendbereich ist es richtig schlimm“. Als er mit einer C-Jugend-Mannschaft der Reinickendorfer Füchse, bei der viele Türken mitkicken, in Brandenburg unterwegs war, wurden diese wüst beschimpft und mussten ihr Turnier sogar vorzeitig verlassen. „Nun ist es sogar so weit: Nach dem Mauerfall haben wir uns gefreut, jetzt trauen wir uns schon gar nicht mehr ins Umland.“ Der alltägliche Rassismus verschärfe die Tendenz der Türken, sich in türkische Vereine zurückzuziehen, sich ihre eigene Welt zu schaffen.
Die grundsätzliche Bereitschaft, sich auch in deutsche Vereinsstrukturen zu integrieren, ist bei vielen Türken da, in Kreuzberg und Neukölln gibt es einige Klubs, bei denen fast die Hälfte der Mitglieder türkischer Herkunft ist, wie etwa beim BFC Südring oder den Berliner Amateuren. „Bei den deutschen Vereinen stimmt die Mischung“, meint Liesegang, das Problem liege also mehr bei den türkischen Vereinen, die fast keine deutschen Mitglieder haben.
Dogan Doawulcu von Türkiyemspor kann solch einen Vorwurf nicht stehen lassen. Der Verbandsliga-Tabellenführer ist nicht irgendeiner in Berlin, er ist der größte und erfolgreichste Klub, das Synonym für türkischen Fußball in der Hauptstadt. Etwa 300 aktive Mitglieder spielen in 16 Mannschaften, davon 13 Jugendteams. Türkiyemspor bindet viele jugendliche Talente, während bei fast allen anderen türkischen Vereinen eine Jugendarbeit im deutschen Sinne fast oder gar nicht nicht stattfindet.
Liesegang bedauert, dass häufig jüngere türkische Jugendliche in deutschen Vereine spielten, dort geschult würden und dann im Teenageralter zu türkischen Vereinen wechseln würden. „Die werden dann mehr von zu Hause beeinflusst, der Glaube kommt dazu.“
Doawulcu bedauert die Entwicklung zur zunehmenden Separation ebenso. Bei Türkiyemspor sind etwa 5 Prozent Deutsche aktiv, womit der 1978 gegründete Verein schon weit über dem Durchschnitt liegt. „Wir würden gern mehr Deutsche aufnehmen“, sagt Doawulcu. Er wisse auch nicht, warum die nicht kommen.
Liesegang sieht Mentalitätsunterschiede: „Ein Deutscher fühlt sich im deutschen Verein einfach wohler, so komisch das auch klingt.“ Eine von türkischen Vereinen anvisierte Gründung einer eigenen Liga erscheint daher als schlechte Idee, ob diese als Talentschmiede für Profivereine in der Türkei dienen soll oder nicht. Auch wenn es sich viele Türken und Deutsche in ihrer Welt gemütlich gemacht haben, die Trennung, die einer wirklich modernen Gesellschaft entgegensteht, ist da.
MATHIAS STUHR
Zitat:VEREINSMITGLIED DOAWULCU:„Bei Türkiyemspor sind etwa 5 Prozent Deutsche aktiv. Wir würden gern mehr aufnehmen.“
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