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Dick Curl verlernt langsam das Hinterntreten

Der Coach der Frankfurt Galaxy ist sauer, weil er zu wenig NFL-Spieler hat und in Europas American Football-Liga nach unten rutscht

FRANKFURT taz ■ „Oi, oi, oi“, schallte es am späten Samstag durch das Frankfurter Waldstadion. Hatte etwa der in schweren Finanzproblemen steckende Bundesligist Eintracht Frankfurt aus purer Geldnot seine fußballerische Heimstatt für ein Skinhead-Treffen zur Verfügung gestellt? I wo, war alles ganz harmlos. Denn: Was den einen ihr „Anton aus Tirol“, ist den anderen AC/DC’s „TNT“. Frankfurt Galaxy heißen in dem Fall die anderen, und die spielen American Football.

Neben dem besseren Musikgeschmack hat man den Kollegen mit den runden Bällen auch noch ein paar Zuschauer voraus: 36.000 zu jedem Kirmesspektakel bereite Fans konnten die Galaktischen im vergangenen Jahr im Schnitt bei ihren Heimspielen begrüßen. Am Samstag waren es wieder über 31.000, trotz des parallel stattfindenden DFB-Pokalfinales. Kein Zweifel: In Frankfurt ist die Galaxy ein längst etablierter Markenartikel.

Das dachten sich auch die Verantwortlichen in Übersee – die Galaxy bekam für diese Saison nur 16 Spieler aus der US-Profiliga zugeteilt, für die Konkurrenz wurden teilweise bis zu 23 NFL-Profis abgestellt. Headcoach Dick Curl schimpft seitdem bevorzugt auf die allmächtigen Offiziellen. Er fühlt sich schlicht und einfach benachteiligt. „Mit mehr von diesen Spielern hat man sofort ein besseres Team zusammen“, grantelt Curl und sieht sich von der aktuellen Entwicklung bestätigt. Spätestens nach dem 17:20 gegen die braven Amsterdam Admirals, der dritten Niederlage in Folge, scheint die Titelverteidigung in weite Ferne gerückt zu sein.

Curl hatte schon vor dem Spiel geargwöhnt: „Wir haben ein gutes Team, doch bislang machen wir die Big Plays nicht. Das macht mir Sorge. Wie reagiert ein Team auf Druck? Das ist die entscheidende Frage, darauf kommt es an.“ Hat er schon Recht. Dass Curl im Prinzip ein gutes Team haben könnte, deutete sich auch gegen die Admirals an. Zwei Touchdowns setzte die Galaxy schon im ersten Viertel nach jeweils hübschen Pässen ihres Quarterbacks Pat Barnes, doch „Big Play“ war das noch lange nicht.

Wie das geht, zeigten die Admirals in letzter Minute: eine einzige Sekunde war noch zu spielen, als Amsterdams sonst recht feinsinniger Quarterback Ron Powlus mit rohem Körpereinsatz einen Field-Goal-Versuch herausholte – auf das Feld kam nun einer geschritten, dessen Name noch stets nach einem spanischen Eroberer aus dem Mittelalter klingt. Barfuß betrat José Cortez den Rasen, 49 Yards lagen zwischen dem Kicker und dem Gestänge in Form einer Tongabel – Cortez traf, und die Galaxy verlor erneut unnötig ein Spiel.

Als Tabellenletzter wird es für sie nun mit dem Finale eng. Dabei war das fest eingeplant: „55.000 Zuschauer passen rein – das wäre Rekord für die NFL-Europe“, träumt Galaxy-Manager Tillman Engel vom Einzug ins Endspiel um den World-Bowl am 25. Juni im heimischen Waldstadion. Auch Dick Curl scheint die Niederlagenserie allmählich ein wenig aus dem Konzept zu werfen. Zu Saisonbeginn tönte er noch: „Wir werden jedem Gegner in den Hintern treten und das Ding gewinnen. Und dann gehe ich Golf spielen.“ Inzwischen klingt das schon wesentlich metaphysischer: „Die Geschichte steht nicht auf unserer Seite, denn noch nie hat ein Team den Titel verteidigt“, sagt Curl. Aha. Nur: Warum geht er dann nicht gleich Golf spielen?

KLAUS TEICHMANN

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