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: Bayerns 3:0-Pokalsieg im Vorübergehen gegen Bremen

DAS TRITTLEITERSPIEL

Vordergründig gesehen war das 57. deutsche Pokalfinale eines ohne große eigene Geschichte. Goliath hatte sich nach Berlin bemüht, um einen erschütternd schwachen und wehrlosen David abzuwatschen. Was eindrucksvoll gelang, sogar ohne das sprichwörtliche Bajuwaren-Glück: Schon nach 15 Minuten hatten die Münchner ein halbes Dutzend klarster Chancen erspielt gegen einen defensiv indisponierten Bremer Gegner in passenden gurkentruppengrünen Leibchen. Sogar für die Tore, eines spektakulärer als das andere, sorgten, wenn auch spät, die üblichen Verdächtigen: Erst die beiden grandiosen Brasilianer Giovane Elber und Paulo Sergio, dann der eingewechselte Mehmet Scholl. Auch bei einem 0:6 wäre jede Bremer Beschwerde als lächerlich verworfen worden.

Der FC Bayern München hat sich also den Trostpreis der Saison geholt, den DFB-Pokal, von dem der weise Vereinspräsident Franz Beckenbauer vorher wusste: „Der interessiert doch jetzt keinen Menschen.“

Doch plötzlich diente der leichte Sieg vom Samstagabend als Fanal zur „Aufbruchstimmung“, wie es Trainer Ottmar Hitzfeld nachher nannte. Denn da ist ja noch so ein Spiel morgen Abend gegen Real Madrid. Da muss nach dem Hinspiel-0:2 auch 3:0 gewonnen werden, um das Pariser Finale der Champions League am 24. Mai zu erreichen und dort dieses Jahr vielleicht sogar bis zum Schlusspfiff über die Runden zu kommen und nicht nur 90 Minuten. Der Pokal als Aufwärmtraining, als Trittleiterstufe für die wahren Aufgaben. Die Bremer gaben im Sinne höherer deutscher Interessen nur den Sparringspartner ab. Trainer Schaaf: „Wir haben uns nie gewehrt.“

Die vielen Bayern-Fans, die über das arme Berlin hergefallen waren, sangen nach dem Triumph ihre Lieder sehr passend. Zunächst „Wir holen den DFB-Pokal . . .“, so als hätten sie gar nicht mitbekommen, dass sie ihn gerade gewonnen hatten. Um dann aber zeit- und schwerpunktgemäß die Tempi wieder zurecht zu rücken: „Paris, Paris, wir fahren nach Paris.“

Auch der Franz hatte schon Weihnachten: „Mit der Moral von Berlin ist jetzt alles möglich.“ Nur Heißsporn Jeremies, der am Rande eines Platzverweises foulte, sei zu jähzornig, sagte der Jähzornfachmann. Oliver Kahn: „Ein Superspiel“. Jetzt nur noch drei Tore gegen Real. „Das ist für den FC Bayern kein Problem.“ Anderes glaubt nur Spanienkenner Jupp Heynckes („Alle Trümpfe liegen bei Real“), auch wenn das Madrider Team daheim am Wochenende gegen Deportivo Alavés 0:1 verlor.

Das ungelegene Pokalfinale, für das Manager Uli Hoeneß die B-Mannschaft angekündigt hatte, war ein ideales Testspiel. Vier neue Bayern-Kicker wirkten probehalber mit im Männer-Nachspiel, welches dem traditionellen Frauenfinale folgte, wo Titelverteidiger 1. FFC Frankfurt um die rechtzeitig genesene Rekordnationalspielerin Doris Fitschen und die zweifache Vorlagengeberin Birgit Prinz die Außenseiterinnen aus Siegen 2:1 geschlagen hatte. Auch Stefan Effenberg, der Fitschen des FC Bayern, wirkte mit notdürftig geheiltem Muskel wieder mit, war am ersten Tor tatbeteiligt und bekam erst nach über einer Stunde für giftsprühende Rüpelei seine obligatorische gelbe Karte (von zehn insgesamt, als wollten sie das Aachener Skandalspiel vom Abend zuvor nachmachen – siehe Text rechts). „Ein fantastisches Comeback“, lobte sein Übungsleiter, „der Leader ist wieder da.“ Hauptsache, der Gesundheitstest auf dem Rasen hat Langzeitwirkung: „Ich hoffe“, sagt Hitzfeld, „dass der Muskel bis Dienstag nicht wieder zumacht.“

Zumachen sollte bis Dienstag indes Giovane Elber, der Birgit Prinz des Männerfinales – und zwar sämtliche Weißbierflaschen. Einmal den armen Trainer damit voll schütten reicht. Ottmar Hitzfeld musste danach alle Huldigungen im geliehenen Dress eines Mannschaftsbetreuers über sich ergehen lassen. Ein kleidungstechnischer Zwischenschritt: Wenn sie Real ausschalten und in Paris gewinnen, würden die Bayern mutmaßlich auch nackt die Champs-Élysées ablaufen oder gleich im Lido auftreten. -müll-