piwik no script img

Das Planetarium schlägt zurück

■ Im Bremer Olbers-Planetarium wurden die Sterne besungen / Exil-Chilene Ulli Simon und Special-Effects-Master Bernhard Arnold wiesen mit Pablo Nerudas Lyrik und rollendem „r“ den Weg zum Kreuz des Südens

Früher, als die Menschen noch keine Planetarien kannten, haben sie wie in Stonehenge riesige Findlinge in Kreisen aufgestellt und gegerbtes Ziegenfell darüber gespannt. Dann wurde Met ausgeschenkt und der Barde holte seine Laute hervor. Alle genossen die himmlische Akustik und die beruhigende Wirkung der kreisrunden location. Nur der Druide verzweifelte regelmäßig, weil seine dressierten Glühwürmchen es nie lange in der trainierten Formation am Zeltdach aushielten und der Reihe nach ins Bier plumpsten. So verlor Orion seinen Gürtel und dem großen Wagen brach die Deichsel.

Heute hat selbst Bremen sein eigenes Planetarium, und der Druide im Olbers-Planetarium auf dem Stadtwerder zaubert regelmäßig ohne technische Pannen nicht nur Sonne, Mond und Sterne über die Köpfe der maximal 34 BesucherInnen, sondern auch Sternschnuppen und Kometen. Statt Met wird feins-ter chilenischer Wein ausgeschenkt – jedenfalls am Sonntagabend, als eine Konzertlesung stattfand und ein erlauchter Insider-Kreis unter Sternen den Klängen des bremisch-chilenischen Barden Ulli Simon und seines Compañero Jorge Ballesteros lauschte.

Allerdings war das fünf Meter durchmessende Kreisrund in der Hochschule für Nautik und Wirtschaft nur halb voll. Ja, weiß denn niemand, dass es sich in Planetarien am besten klampft? Steht in keinem Feng-Shui Buch, dass runde Räume – in Dunkelheit gehüllt – Gelassenheit verbreiten? Vor allem dann, wenn mit sanft-sonorer Stimme und behaglich rollenden „r“ lateinamerikanische Weisen und Gedichte von Pablo Neruda vorgetragen werden? Und wann können wir dem Mond dabei zusehen, wie er zur Untermalung von Gedichten über den Mond – ah! La Luna – rhythmisch über das Firmament rollt? Wer weiß schon, wie Pablo Nerudas Kreuz des Südens wirklich aussieht?

Bernhard Arnold vom Olbers-Planetarium zeigte es uns, während Ulli Simon die Bombo schlug und die Ziegenhufe an seinen Fußgelenken rasseln ließ. Ein anderes Mal tauchte Arnold das Rund in rotes oder blaues Licht oder wies auf den Polarstern hin, der nur auf der nördlichen Halbkugel zu sehen ist. Der verschwand auch folgerichtig, als wir uns nach der „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff „auf unsere große Reise nach Chile“ begaben und nur noch das Kreuz des Südens vor Augen hatten.

Special-Effects-Master Arnold hatte auch die Idee, den seit 1973 im deutschen Exil lebenden Simon einzuladen, weil „es so viele Gedichte und Lieder über den Sternenhimmel gibt.“ Im Bremer Planetarium bewegt sich aber nicht nur der Himmel, wenn Barden und Poeten die Stimme erheben. Von Zeit zu Zeit werden die Glühwürmchen an der Decke festgenagelt und dann erzählt der Druide selbst etwas über den aktuellen Sternenhimmel oder die Welt der Galaxien. Eiken Bruhn

Regelmäßige Termine freitags und sonntags; für Kinder donnerstags. Weitere Infos unter www.hs-bremen.de/planetarium

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen