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Clement hat sich durchgemogelt

Er leistete sich einen Skandal nach dem anderen. Vom illegalen Superministerium bis zur Flugaffäre. Trotz allem wird NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement am Sonntag wahrscheinlich wieder gewählt. Eine Bilanz seiner Amtszeit

aus Köln PASCAL BEUCKER

In der Woche vor der Landtagswahl lässt die SPD noch einmal groß auffahren. Mehr als fünf Millionen Werbezeitungen hat sie drucken lassen, hinzu kommen noch einmal eine Million Flugblätter. Mit Hausbesuchen und Telefonanrufen versuchen die roten Wahlkämpfer noch Unschlüssige zu mobilisieren. Und immer wird dabei ein Mann angepriesen: Ministerpräsident Wolfgang Clement. Auf ihn ist der ganze SPD-Wahlkampf zugeschnitten.

Das Konzept scheint aufzugehen: Knapp eine Woche vor dem Urnengang sehen alle Meinungsforschungsinstitute die SPD deutlich vor der CDU. In den persönlichen Kompetenzwerten liegt der „Vorstandsvorsitzende der NRW AG“, wie sich Clement gerne sieht, noch weiter vor CDU-Spitzenmann Jürgen Rüttgers. Nichts scheint Wolfgang Clement noch aufhalten zu können. Erstaunlich, denn Clements Bilanz fällt alles andere als brillant aus.

Stichwort: Superministerium. Seine Amtszeit als Ministerpräsident begann Clement 1998 mit einem kapitalen Fehlschlag. Trotz aller Warnungen verfügte er die Zusammenlegung des Innenministeriums mit dem Justizressort. Gegen das Clementsche „Superministerium“ liefen Richterverbände, Anwaltskammer und die Polizeigewerkschaft Sturm, da es die Gewaltenteilung gefährde. Doch der gelernte Jurist hielt stur an seinem Vorhaben fest, erklärte es gar für „verfassungsrechtlich unangreifbar“. Er irrte. Das Landesverfassungsgericht zwang ihn, die umstrittene Fusion rückgängig zu machen.

Stichwort: Flugaffäre. Die Flüge sozialdemokratischer Mitglieder der NRW-Landesregierung beschäftigen seit Dezember 1999 einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die Affäre kostete SPD-Finanzminister Heinz Schleußer (SPD) Anfang des Jahres den Job, nachdem herauskam, dass er öffentlich gelogen hatte. Bis heute spricht Clement von einer „Luftnummer“. Die CDU sieht in ihr hingegen nur die Spitze eines Eisbergs.

Stichwort: Wahlkampfhilfe Ost. Im Februar kam heraus: Die NRW-Landesregierung hat Manfred Stolpe bei seinem Wahlkampf 1990 um das Ministerpräsidentenamt in Brandenburg massiv unterstützt. Dieser aus dem NRW-Landeshaushalt bezahlte Einsatz kostete 13.000 Mark. Wolfgang Clement war als damaliger Chef der Staatskanzlei maßgeblich verantwortlich für diese aus Sicht der CDU-Opposition „verbotene Parteienfinanzierung durch die Staatskasse“.

Stichwort: HDO. Gleich zwei Untersuchungsausschüsse beschäftigten sich in dieser Legislaturperiode mit dem Oberhausener Millionengrab „High Definition Oberhausen“. Bereits seit seiner Zeit als Chef der Staatskanzlei gehörte es zu den Lieblingsprojekten Clements. Doch HDO floppte. 1998 meldete das Unternehmen Konkurs an. Die Landesregierung hätte 80 Millionen Mark Fördergelder retten können, wenn sie spätestens 1994 auf die offensichtlichen Fehlentwicklungen bei HDO reagiert hätte, werfen die Christdemokraten der Landesregierung vor. Dass dies nicht passiert ist, bezeichnete CDU-Fraktionschef Meyer als „typischen Clement-Vorgang“: Der Ministerpräsident habe einfach nicht zugeben können, einen Fehler gemacht zu haben.

Sein nächstes Lieblingsgroßprojekt hat Clement bereits fest im Visier: den Transrapid fürs Ruhrgebiet. „Ich halte dies für das wichtigste Projekt in NRW“, verkündet der SPD-Frontmann auf den Wahlkampfveranstaltungen. „Davon hängt auch die Koalitionsaussage ab.“ Diesmal könnte es ein Milliardengrab werden.

Vielleicht holt Clement bei den Wahlen in fünf Jahren sogar die absolute Mehrheit.

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