: Rosenholz & Sira
Die DDR bröckelte, die Stasi wurde aufgelöst, da schlug die CIA zu. In einer Operation „Rosenholz“ besorgten sich amerikanische Agenten die Karteien der Auslandsspionageabteilung HVA. Nach jahrelangem diplomatischem Tauziehen haben nun Anfang April CIA-Kuriere eine erste CD-ROM mit Datensätzen im Berliner Kanzleramt abgeliefert. In den folgenden zwei Jahren sollen über tausend weitere CDs folgen. Sie könnten der Schlüssel für die Enttarnung derer sein, die im Westen für die Staatssicherheit spioniert haben. Deren Zahl wird auf rund 20.000 geschätzt.
Trotz neuer Erkenntnisse erwartet die Bundesanwaltschaft nur wenige neue Ermittlungsverfahren. Strafrechtlich sei nur noch Landesverrat relevant. Dagegen sei der juristisch weniger schwerwiegende Vorwurf der geheimdienstlichen Agententätigkeit inzwischen verjährt. Dennoch wird im Bundesinnenministerium eine Arbeitsgruppe gebildet, die zusammen mit dem Verfassungsschutz und der Gauck-Behörde zunächst über die Auswertung des als geheim eingestuften Materials beraten soll. Doch bereits um die Einstufung des Materials gibt es Streit. Die Gauck-Behörde verlangt, die Akten müssten der Öffentlichkeit und Forschern zugänglich sein. Die USA jedoch hatten sich die Geheimhaltung von der Bundesregierung ausdrücklich zusichern lassen.
Herzstück des Materials ist die „F-16“-Klarnamendatei. Sie umfasst mehr als 300.000 Personen und Registriernummern der Vorgänge, in die sie involviert waren. Die Kartei ist jedoch ein kaum zu entwirrender Mix aus Namen sowohl der eigenen Agenten im In- und Ausland als auch westdeutscher Politiker und Manager, die abgehört wurden.
Teil des Pakets ist auch die „F-22“-Vorgangsdatei, in der HVA-Mitarbeiter die Art des Vorgangs, Decknamen und Archivnummern vermerkten. Erst mittels dieser „F-22“ lässt sich rekonstruieren, ob die registrierte Person aktiver Agent, DDR-Kurier oder Quelle war, nur Deckadressen lieferte oder schlicht bespitzelt wurde.
Nähere Angaben zu einzelnen Vorgängen wiederum lassen sich dem System zur Informationsrecherche der HVA entnehmen. Vor etwa einem Jahr gelang es Mitarbeitern der Gauck-Behörde, Bänder zu entschlüsseln, die Teil dieser „Sira“-Datenbank waren. Sie enthalten Kurzbeschreibungen der brisantesten Berichte und gelieferten Dokumente. Dank der Entschlüsselung kann zwar teilweise nachgewiesen werden, was die Stasi wusste, allerdings nicht, von wem. Der kleine aber wesentliche Schönheitsfehler: Als Quelle wird nur der Deckname, kein Klarname genannt.
Die „Rosenholz“-Datei nährt die Hoffnung, die DDR-Auslandsspionage inhaltlich und personell nahezu komplett zu rekonstruieren, wenn man sie nur mit den „Sira“-Daten zusammenführt. Allerdings liefern die Amerikaner lediglich Kopien des Ausgangsmaterials, die zudem gefiltert sind – wohl um eigene Agenten zu schützen, wird vermutet. Die CIA behält sich vor, selbst zu entscheiden, welche Unterlagen sie den deutschen Behörden übergibt.
Wie die Mikrofilme in die Hände der Amerikaner gelangten, ist nicht restlos geklärt. So wird einerseits vermutet, die in Auflösung begriffene HVA-Führung hätte die mikroverfilmte Kartei verschiedenen westlichen Geheimdiensten zum Kauf angeboten. Als wahrscheinlicher gilt die Variante, nach der ein KGB-Offizier das Material in Moskau der CIA verkauft hat, nachdem er es in Ost-Berlin von der sich auflösenden HVA übernahm. Die Kartei übrigens ist alphabetisch geordnet, und in dieser Reihenfolge übergeben die USA die CDs. Bis die Daten zu Rolf Rosenbrock Deutschland erreichen, kann es also noch dauern. JAN ROSENKRANZ
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