: Was der Westler nicht kennt, . . .
Die vielen Besucher auf der Ostprodukte-Messe „Ostpro“ können über den schlechten Absatz im Westen nicht hinwegtäuschen. Hersteller klagen insbesondere über fehlendes Interesse der Supermarktketten
Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Der Spruch lässt sich bestens auf die gestern eröffnete 19. Ostprodukte-Messe „Ostpro“ übertragen. Was der Westler nicht kennt, das frisst er nicht.
Während viele Ostler schon zu DDR-Zeiten jede Menge Westprodukte kannten – wenn auch nur aus dem Fernsehen –, hält sich im Westen das Interesse an Gaumenfreunden östlicher Herkunft immer noch in Grenzen. So kamen die meisten Kunden am gestrigen Eröffnungstag auch aus dem Osten und schleppten Altbekanntes nach Hause: Ampelmännchen als T-Shirt und Lakritz, Spreewalder Gurken und Eberswalder Würstchen oder Besen aus den neuen Bundesländern, weil neue Besen eben doch besser kehren. Auch das „Schokoschmiergeld“ – kleine mit DDR-Geld bedruckte Schokotafeln – und das „Schwarzgeld“ – 100-DM-Scheine aus Plastik gefüllt mit „Wodka Black“, die es erst seit Oktober vergangenen Jahres gibt, gingen weg wie heiße Semmeln.
Der Geschäftsführer der Möwe Teigwarenwerk GmbH aus Mecklenburg-Vorpommern, Werner Rehberg, spricht von „einer verkehrten Welt“: „Bei den Handelsketten gibt es im Osten, wenn’s gut geht, einen Ostanbieter, aber mindestens zwei Westproduzenten.“ Ostprodukte hätten im Westen keine wirkliche „Daseinsberechtigung“. Zwar baut die 1956 gegründete Firma, die zu DDR-Zeiten die ganze DDR mit Nudeln versorgte, derzeit an einem „neuen Marktauftritt“ mit veränderter Verpackung und einem breiteren Sortiment. Trotzdem geht der Geschäftsführer davon aus, ein regionaler Anbieter zu bleiben. Auch am Stand mit Gewürzen aus Sachsen – „Qualität aus Tradition“ – wünscht man sich mehr Interesse im Westen. „Wir sind dort wenig bis gar nicht vertreten“, sagt der Außendienstler Henning Werner. Als Gründe nennt er die hohen Gebühren – mehrere tausend Mark –, um in die Listen der Supermärkte aufgenommen zu werden. Lediglich in einigen wenigen Geschäften im Westen, die ausschließlich Ostprodukte verkaufen, seien die Gewürze zu finden. Selbst bei der Firma „Kathi“, die seit fast 50 Jahren in Halle an der Saale Backmischungen, Mehle und Zutaten herstellt und in den neuen Bundesländern Marktführer und im Westen nach Oetker die Nummer zwei ist, ist man nicht so recht zufrieden. „Im Westen ist die Marktakzeptanz nicht da“, sagt Verkäufer Matthias May. So als wolle er sich selbst Mut machen, sagt er einen schönen Satz: „Es gibt ein sehr, sehr langsames Wachstum, das Pessimisten vielleicht als Stagnation bezeichnen würden.“ Der Verkauf im Westen mache nur etwa 8 Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Für Antje Schreckensbach, die Zwieback aus der Lausitz anbietet, liegt der geringe Absatz im Westen ganz klar am „fehlenden Bekanntheitsgrad“ und „an den unterschiedlichen Verzehrgewohnheiten“. Deshalb erhofft sie sich einiges von der Messe: „Wenn die Kunden von unten nachfragen, erfolgt vielleicht von oben die Listung.“
Renate Wikarski von den Feinstrumpfwaren „Esda“ aus dem sächsischen Auerbach – bekannter als Stadt des Maschendrahtzauns – ist eine der wenigen Aussteller, die nicht allein den Supermarktketten die Schuld gibt. „Es liegt auch an den Gewohnheiten der Leute“, sagt sie. Obwohl Esda Produkte anbiete, die andere Strumpffirmen nicht haben, sei der Anteil im Westen „sehr klein“. So nimmt ihre Firma, die 300 Mitarbeiter beschäftigt, in Kauf, hin und wieder Auftragsproduktionen unter fremden Namen auszuführen. Für den Sommer erwartet die Verkäuferin eine Zusage von C & A für die Übernahme der neuen Linie „Esda 2000“. Man darf gespannt sein.B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
Zitat:OSTVERKÄUFER MATTHIAS MAY:Es gibt ein sehr, sehr langsames Wachstum im Westen, das Pessimisten vielleicht als Stagnation bezeichnen würden
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