: Sitzblockade gegen Techno
Eine Bürgerinitiative ruft zur Blockade unter der Brücke am S-Bahnhof Tiergarten auf, um den Park vor der Love Parade zu schützen. Sie plant dezentrale Aktionen und Klage gegen den Senat
von SILVIA LANGE
Ein paar hundert Anwohner gegen eine Million Raver. Die vorwiegend älteren Anwohner sitzen unter der S-Bahn-Brücke Tiergarten und schützen den Park vor dem Krach und Kot der Techno-Jünger. Auch an anderen strategischen Orten rund um den Tiergarten legen Rentner die Fahrt der wummernden Trucks durch geheim verabredete „Surprise-Partys“ lahm. Die Raver müssen mit ihrer Parade schließlich auf andere Flächen ausweichen.
Davon träumen zumindest die Mitglieder der Bürgerinitiative „Rettet den Großen Tiergarten vor der Love Parade“. Seit einem Dreivierteljahr engagieren sie sich dafür, dass das Techno-Spektakel verlegt wird. Den Politikern am Runden Tisch zur Love Parade haben sie 19 Alternativrouten vorgeschlagen. Doch jetzt wurden sie von den Ereignissen überrollt: Die Love Parade wurde letzte Woche erneut als „politische Demonstration“ genehmigt. Deshalb sehen sich die Damen und Herren im mittleren Alter nun genötigt, mit härteren Bandagen gegen die „Laffparreijt“ zu kämpfen: Bei ihrem Treffen am Wochenende riefen sie zu „gewaltfreien Blockadeaktionen“ auf.
Rentner, die Angst vor der Masse der Raver haben, werden von den Protestinitiatoren beruhigt: „Die werden uns nicht angreifen, sonst wird ihnen ja der Nimbus des ‚Friede, Freude, Eierkuchen‘ genommen.“ Trotzdem will sich keiner der anwesenden Rentner verbindlich für die „Arbeitsgruppe Blockade“ melden. Organisator Michael Ulex lässt sich seinen Optimismus nicht nehmen: „Wir haben Kontakt zu verschiedenen Jugendgruppen, die uns bei der Blockade helfen wollen.“
Eine weitere Arbeitsgruppe will prüfen, ob sich die Raver an die Auflagen halten, und dem Bezirksamt Tiergarten bei der Lärmmessung helfen. Andere Bürger wollen gegen den Senat klagen: Mit dem Demonstrationsstatus dieser „Drecksveranstaltung“ werde schließlich das „knallharte kommerzielle Interesse“ des Paradenveranstalters planetcom gedeckt. „Es hat sich ein regelrechter Love-Parade-Hooligan-Kult entwickelt“, empört sich Margarete Pape, Sprecherin der Bürgerinitiative. Auch im letzten Jahr seien Anwohner, die sich gegen die Kloake in ihrem Vorgarten wehren wollten, „brutalst niedergeschlagen“ worden. Ein älterer Mann stimmt ihr, die Fäuste ballend, zu: „Diese Urindusche, dieser Terror, diese Nötigung!“
Ein sanfteres Gemüt hat eine Anwohnerfamilie, die den verantwortlichen Politikern ihre Wohnung für das Love-Parade-Wochenende zum Tausch anbietet. Alle Senatoren sind außerdem eingeladen, am 8. Juli um 17 Uhr in die Gedächtniskirche zu kommen. Dort sollen sie erleben, wie laut es in einem Gebäude ist, das einige hundert Meter vom Ort des Geschehens entfernt ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen