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Geschichte wird abbezahlt

Die öffentlichen Betriebe der Stadt wollen dem Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter beitreten. Trotz eindringlicher Appelle sind insgesamt erst 70 Berliner Unternehmen dabei

von RICHARD ROTHER

Die Eigenbetriebe des Landes Berlin wollen sich am Entschädigungsfonds für NS-Zwangsarbeiter beteiligen. Eine mit dem Thema befasste Arbeitsgruppe habe sich grundsätzlich auf diesen Schritt geeinigt, hieß es aus Kreisen der öffentlichen Unternehmen. Beteiligt sind daran die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Berliner Wasserbetriebe (BWB), die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) sowie die Berliner Hafen- und Lagerhausbetriebe (BeHaLa).

Die Betriebe wollen sich dem Vernehmen nach an den Empfehlungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) orientieren und dem Fonds einen Betrag von zwei Tausendstel des Jahresumsatzes beisteuern. Beispielsweise würde die BSR – bei einem Jahresumsatz von 1,15 Milliarden Mark – einen Beitrag von rund 2,3 Millionen Mark zahlen. Zu Jahresbeginn hatte die IHK einen Appell an alle Berliner Betriebe gerichtet, sich am Fonds zu beteiligen – unabhängig davon, ob während der NS-Zeit tatsächlich Zwangsarbeiter beschäftigt wurden oder nicht.

Es gehe nicht darum, ob oder wie viele Zwangsarbeiter in den jeweiligen Berliner Eigenbetrieben beschäftigt wurden, hieß es aus Unternehmenskreisen. Wichtig sei, wenigstens einen symbolischen Beitrag zur Wiedergutmachung zu leisten. Die privatisierte Bewag hatte diesen Schritt bereits im Dezember letzten Jahres vollzogen – als eines der ersten Berliner Unternehmen überhaupt.

In der Vergangenheit hatte es einen monatelangen Streit zwischen den Betrieben und dem Land als Eigentümer darüber gegeben, wer die Kosten für die Entschädigungszahlungen tragen solle: das Land oder die Betriebe. Im April hatte Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU) die öffentlichen Betriebe aufgefordert, sich in eigener Regie darum zu kümmern und sich untereinander zu koordinieren. Federführend agiert dabei die BVG als größter öffentlicher Betrieb.

Die Vertreter der Betriebe seien zurzeit mitten im Gespräch, sagte Branoners Sprecher Michael Wehran. „Ich denke, dass sie sich so schnell wie möglich einigen.“ Das Ergebnis müsse dann mit dem Wirtschaftssenator abgestimmt werden.

Nach Schätzungen von Historikern hatte fast jeder Betrieb in der ehemaligen Reichshauptstadt Zwangsarbeiter beschäftigt; die öffentlichen Betriebe der Strom-, Wasser- und Gaserzeugung, der Müllentsorgung sowie die Verkehrsbetriebe machten da keine Ausnahme. Insgesamt mussten nach Expertenschätzungen Hunderttausende Zwangs- und Sklavenarbeiter in der deutschen Hauptstadt schuften – nicht wenige haben die strapaziöse Arbeit sowie die unmenschlichen Bedingungen in den Lagern mit dem Leben bezahlt. Als einer der ersten öffentlichen Betriebe der Region sind mittlerweile die Stadtwerke Belzig/Brandenburg dem Entschädigungsfonds beigetreten.

Schleppend entwickelt sich die Beteiligung der Privatwirtschaft – trotz mehrfacher Aufforderung durch Politik, Unternehmerverbände und Gewerkschaften. Während die Beteiligung der brandenburgischen Unternehmen kaum merklich ist, sind mittlerweile rund 70 Berliner Unternehmen der Stiftungsinitiative beigetreten. Von Dynamik ist dabei wenig zu spüren: vor einem Monat waren es bereits 60 Berliner Betriebe. Viele davon haben allerdings mit der NS-Vergangenheit nichts zu tun und beteiligen sich aus moralischer Verantwortung. Andere Unternehmen hingegen zeigen sich unwillig. Im Januar hatte das Berliner American Jewish Committee eine Liste mit 78 Berliner Betrieben veröffentlicht, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben sollen (die taz dokumentierte). Die meisten von ihnen sind bis heute nicht dem Fonds beigetreten.

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