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Schnauzbärtige Stimmenkanone

Ihren Erfolg haben die Liberalen nur einem Mann zu verdanken: Jürgen W. Möllemann hat seine Partei mit festem Glauben, Fallschirmsprüngen und Talkshowauftritten aus dem Tief geführt

DÜSSELDORF taz ■ „9,9 Prozent? Das ist ja der helle Wahnsinn!“ Der Spitzenkandidat, umtost von „Jürgen, Jürgen!“-Rufen seiner Fans, sah sich nach den ersten Hochrechnungen am Ziel seiner Träume: zurückgekehrt ins Parlament von Nordrhein-Westfalen, mit weit mehr als den anvisierten 8 Prozent, die Grünen zur vierten Kraft im Lande degradiert. Regierungsbeteiligung? „Ich habe nicht die Absicht, mich anzudienen.“ Dass die FDP wieder auferstanden ist, verdankt sie einer einzigen Person: Jürgen W. Möllemann.

Seine politische Karriere begann der Münsteraner Politentertainer Ende der 60er-Jahre als AStA-Vorsitzender an der Pädagogischen Hochschule Münster im CDU-Studentenverband RCDS. 1970 wechselte er zur FDP. Zwei Jahre später saß der Shootingstar im Bundestag.

Seine große Zeit erlebt der gelernte Volksschullehrer nach der Bonner „Wende“. Von Hans-Dietrich Genscher 1982 als Staatsminister ins Auswärtige Amt geholt, wird Möllemann 1987 Bundesminister für Bildung und Wissenschaft. Seine erste Amtstat: Er versieht alle Materialien des Ministeriums mit den Erkennungsfarben seiner Partei, Blau und Gelb. 1991 steigt er zum Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler auf. Doch 1993 folgt der Absturz: Nach der so genannten Briefbogenaffäre um ein Werbeschreiben für den „pfiffigen“ Einkaufswagen-Chip eines Verwandten muss Möllemann zurücktreten. Ein Jahr später schicken ihn auch die NRW-Liberalen, denen er seit 1983 vorstand, in die Wüste. Nicht ohne gehörige Unterstützung der Bundespartei, die genug hat von dem begnadeten Selbstdarsteller, wird Möllemann ein halbes Jahr vor der Landtagswahl zum Rücktritt vom FDP-Landesvorsitz gezwungen. Seine politische Karriere scheint beendet.

Doch die Niederlage erweist sich für ihn als Glücksfall. Denn die FDP verpasst am 14. Mai 1995 mit nur 4 Prozent der Stimmen den Einzug in den Landtag. Zuvor schon aus fast allen Kommunalparlamenten geflogen, nun auch noch ohne Landtagsfraktion, steht die Partei vor einem Trümmerhaufen. Dafür kann Möllemann seine innerparteilichen Kontrahenten verantwortlich machen. Der Anfang seines Comebacks: 1996 holt ihn die Partei reumütig zurück. Seitdem beherrscht der Oberleutnant der Reserve die nordrhein-westfälische FDP unangefochten.

Der diesjährige Landtagswahlkampf der FDP war eine reine Ein-Mann-Show. „NRW braucht Tempo. Möllemann“ – so die unübersehbare Botschaft. Möllemann in allen Gassen und auf allen Kanälen: Beim Fallschirmabsprung über dem Landtag, beim Besuch in unzähligen Talkshows, gar in jener von „Big Brother“. Die ganze FDP bestehe nur aus einer Person, giftete der grüne Landessprecher Reiner Priggen. „Das ist Wahlkampf, wie ihn Haider gemacht hat in Österreich“, erboste sich der Grüne. Möllemann war's recht. Sein Motto: Hauptsache Schlagzeilen. Das Konzept ist aufgegangen. Seit gestern ist die FDP wieder im Landtag. PASCAL BEUCKER

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