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Lernen ohne digitalen Spickzettel

Sechs Hamburger Klassen arbeiten mit Laptops statt mit Stift und Büchern  ■ Von Sandra Wilsdorf

Der Schulweg ist schwerer geworden, aber die Schule leichter. So beschreibt ein Siebtklässler, wie sich sein Schulalltag geändert hat, seit seine Klasse bei dem Hamburger Notebook-Modellversuch mitmacht. Sechs Schulen beteiligen sich mit jeweils einer Klasse an „SEMIK“, einem fünf Jahre dauernden bundesweiten Versuch zum „systematischen Einbeziehen von Medien, Informations- und Kommunikationstechnologien in Lehr- und Lernprozesse“. Seit gut einem halben Jahr arbeiten die SchülerInnen der sechs erwählten Hamburger Klassen auf Notebooks. Jeder hat für die Dauer des Versuchs sein persönliches Gerät.

Gestern gab es einen ersten Rückblick: Die Schüler gewinnen ungemein schnell Kompetenz, arbeiten sehr gut zusammen, und dabei gibt es überhaupt keinen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen, bilanziert Projektleiter Michael Vallendor. In fast allen Fächern sind Zettel, Stifte, Bücher nur noch Hilfsmittel. Die Siebt- und Achtklässler schreiben in ihre Laptops, basteln Homepages für Klassen und Schulen, lockern die Dokumention über das Wattenmeer mit selbst aufgenommenen Fotos und Filmen von Wattwürmern auf oder führen multimedial durch die Industrielle Revolution. Mit Musik von Mozart.

Spielen ist natürlich verboten, aber: „Wenn überhaupt, dann Solitaire, das lässt sich schneller weg-klicken als Moorhuhn“, sagt eine Schülerin. Manche schreiben sogar Klassenarbeiten auf den Laptops. „Sicher gäbe es theoretisch mehr Möglichkeiten zu schummeln“, sagt Alexander Dodillet aus der 8b des Gymnasiums Grootmoor. Aber die Lehrer passten weiterhin auf: „Da müsste ich die Datei genau so schnell verschwinden lassen wie sonst den Spickzettel.“

Das Verhältnis zu den Lehrern hat sich hingegen schon geändert: „Es ist gut, dass die auch mal auf uns angewiesen sind“, sagt Jorid Schröder von der Gesamtschule Walddörfer. Ihre Lehrerin Ines Lessing bestätigt: „Ich komme oft mit einem Problem in die Schule, und ein Schüler hilft mir, es zu lösen.“ Denn trotz der Sonnabende, die sich die LehrerInnen einmal im Monat fortbilden, sind die Schüler meist schneller.

Auch Ralf Stender, Englischlehrer am Gymnasium Farmsen, wendet sich bei technischen Problemen an seine Schüler: „Die sind viel weiter.“ Sebastian Pilz nickt: „Ich hatte schon vorher einen Computer, das ist jetzt nicht viel Neues.“ Seine Freizeit verbringt er jetzt aber seltener vor dem Bildschirm. Klassenkameradin Jana Hansen hingegen sagt: „Ich hatte vorher nie mit Computern zu tun und finde das total interessant.“

Einiges ist noch unklar: Beispielsweise ist Sebastians Laptop gerade kaputt, und noch weiß er nicht, wer die 150 Mark Reparaturkosten bezahlen muss. „Ich hatte einen Virus, aber ich kann nichts dafür“, sagt er. Es sei kein verbotenes Spiel, sondern das Internet schuld. Und das ist für die Recherche erwünscht.

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