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Immer nur das Eine

Die Böhsen Onkelz euphorisieren die Massen in der Stadthalle

Bereits vor Monaten ging die letzte Karte für das Bremer Onkelz-Konzert über den Ticketschalter. So kam es, dass 10.500 Menschen (zu etwa 75 Prozent männlichen Geschlechts) in die Stadthalle geschichtet wurden, ohne dass man die zwischen Spätbarock und Neogotik anzusiedelnden Arm-Tatoos der nun auch schon auf die 40 zurasenden vier ,Jungs` auf Plakaten in der Bremer City hätte bewundern können. Werbung überflüssig: sowas nennt man gemeinhin ein Phänomen.

Bereits um halbacht Uhr gruppieren sich auf den Betonpontons vor der Stadthalle Marlboro-Schachteln, zügig geleerte Beck`s-Dosen und individuellere Beigaben wie eine Söhnleins-Sektflasche oder eine versenfte Wurstserviette zu stimmungsvollen Assemblagen: flüchtiges Dokumente eines großen Abends. Eine halbe Stunde später bei Beginn von SUPRASOD, der wakker grungenden Vorband aus Brooklyn mit dem korn-artigen Gesang, giftelt die Luft in der Halle wie in einer vor drei Wochen geöffneten Milchtüte. Die Mitnahme von Gasmaske oder Taucherausrüstung wäre von Gewinn gewesen.

Um viertel vor neun Uhr ist in der Nahkampfzone unmittelbar vor der Bühne der Erwerb von Quetschungen nicht mehr zu vermeiden. In kindlicher Vorfreude erfinden die Fans neuartige Hüpftänze und skandieren: „Steh auf, wenn du ein Onkel bist“, „Wir singen scheiß Tote Hosen“, obwohl sich die Fan-Lagerbildung in der letzten Zeit deutlich entspannt hat, und als Ausdruck eines unverbesserlichen Optimismusses: „Werder wird wieder Meister werden“. Gewisse Intonationsschwächen deuten dabei auf eine Stimmbildung in der Ostkurve statt im Monteverdi-Chor hin. Um Punkt neun Uhr schließlich treten die Onkelz an, mit der Pünktlichkeit der Behördenöffnungszeiten, wie vom Veranstalter prophetisch vorhergesagt. Bühne und Lichtshow sind exquisit wie die neuste Escada-Collection: Mal mischt sich strahlendes Blau zu ätherischen Weiß, mal kommt es zu einer innigen Begegnung verschiedener Orangetöne. So richtig pathetisch mit einer Batterie Flammenwerfer wird es erst im von den Fans heißestgeliebten Spottgesang gegen den bundesrepublikanischen Journalismus. Schon vor dem Konzert schalkt ein noch bartloses Bleichgesicht beim Angesicht eines Presseausweises eigentlich ganz freundlich: „Ah Presse. Was wirst du schreiben? Wahrscheinlich wieder lauter falsche Sachen.“

Tja, die Onkelz und die Presse. Eigentlich sollte an dieser Stelle ein Interview mit Stephan Weidner - Bassist, Texter, Melodymaker und Organisationstalent der Band - stehen, das sich allen wichtigen Zeitfragen widmet: Welche Sorte Frühstücksflocken machen morgens am schnellsten munter? Wie wird es mit der Liebe zwischen Alex und Kerstin jenseits des Big-Brother-Containers weitergehen? Doch Tourenmanager Edmund Harsch winkte ab. Zu oft habe man mit JounalistInnen freundlich über Gott und die Welt geplauscht, um dann in den darauffolgenden Zeitungsberichten immer nur das Eine zu lesen: Die Sache mit dem „Türken raus“-Lied, das man 1981 im zarten Alter von Siebzehn in irgendwelchen Frankfurter Punkklitschen abgegröhlt hat um die einschlägigen Verletzungen der Kindheit - Alkoholismus der Mutter, Ludentum des Vaters, volles Problemkind-Programm eben - abzuarbeiten. Da dies Lied nie veröffentlicht wurde, kennt kaum jemand mehr als den Titel. Nur gut, dass es da noch jenes Lied über einen Unhold gibt, der kleine Mädchen vernascht. Weil, alle Lieder über Unholde sind nämlich gewaltverherrlichend. Auch lässt sich immer mal wieder ein Fan auftreiben, der mutmaßt, die Onkelz seien heimlich rechtsradikal. Eine kleine Umfrage der taz in der Damentoilette der Bremer Stadthalle ist allerdings auf kleine Ausländerfeindlichkeit gestoßen, die über das hinausginge, was wir von Rüttgers bis Schily zu akzeptieren gewohnt sind.

Mit der Interpretationsgewalt mittelalterlicher Kabbalisten wurde in den Onkelz-Texten immer wieder die Verherrlichung von Tod und Außenseitertum entdeckt. Dabei geht es bei den Onkelz meistens nur um die unbestreitbare Tasache, dass in dieser Gesellschaft viele arme Schweine ebenso hirn- wie machtlos in der Erwerbsmaschinerie herumrödeln. Und neben einem Karl-Kraus-Zitat (das von den Zwergen, die lange Schatten werfen) lassen sich auf der neusten CD sogar wunderbare Paradoxa antreffen (“Es war Dienstag, wie jeden Tag.“). Besonders lästig ist der Band die superdämliche Dauerfrage: „Warum habt ihr nicht euren Bandnamen verändert.“ Würde ihn die Band ändern, schrie alle Welt: Ihr verlogenen Anpasser, Euch geht es nur um`s Geld, bleibt aber die Band bei ihrem Namen, so ist das ebenfalls böse. „Alles was wir tun, ist immer falsch“, meint Edmund Harsch, philosophisch gesehen eine spannende Situation. Eine 10.000-Mark-Spende der Band für die Wehrmachtsausstellung wurde glatt abgewiesen, ein JAM-Bandporträt auf VIVA im letzten Moment aus dem Programm gekickt. In den VIVA-Charts wird die letzte CD auf Nummer Eins gelistet, doch das dazugehörige Video (kürzlich abgedreht im Schweizer H.R.Giger-Museum) fällt aus. In seiner schön geschriebenen Bandbiografie von 1997 hat Edmund Hartsch diese simplifizierenden Verurteilungsmechanismen der Presse sehr schön dokumentiert. Natürlich weiß die Band, dass dieser Irsinn die Fans zusammenschweißt. Und so ist vielleicht unsere Presse daran schuld, dass eine ganz normale, ordentliche Hardrockband live mutiert zur genialsten Band unseres Sonnensystems. bk

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