: Senat findet seine Fahrrad-Politik spitze
Viele Radfahrer finden die Planungen des Senats gar nicht so klasse, wie der glauben machen will. ADFC fordert hingegen, noch mehr Einbahnstraßen freizugeben ■ Von Gernot Knödler
Hamburg habe bei der Förderung des Fahrradverkehrs eine „Spitzenstellung“, hat der Senat gestern behauptet. Aus den Änderungen der Straßenverkehrsordnung vor zwei Jahren habe die Verwaltung mehr für die RadfahrerInnen herausgeholt als in anderen Großstädten. Beim Thema „Freigabe von Einbahnstraßen“ können viele RadlerInnen halbwegs zustimmen. Bei der Aufhebung der Benutzungspflicht für Radwege gibt es in den Augen der meisten allerdings noch viel zu tun.
Die Bürgerschaft hatte den Senat nach der Änderung der Straßenverkehrsordnung darum gebeten, er möge Einbahnstraßen nach einheitlichen Kriterien für den Fahrrad-Gegenverkehr öffnen. Radwege sollten nur dann per Verkehrsschild benutzungspflichtig gemacht werden, sofern sie verkehrssicher, halbwegs glatt und ausreichend breit sind. Auf kombinierten Geh- und Radwegen sollte im Interesse der FußgängerInnen möglichst keine Benutzungspflicht für RadfahrerInnen angeordnet werden.
Und so hat der Senat gehandelt: Die Baubehörde überprüfte den Zustand von 85 Prozent der insgesamt 1840 Kilometer Radwege in Hamburg. Nachdem zunächst flächendeckend eine Benutzungspflicht für Radwege eingeführt worden war, hob die Innenbehörde genau diese auf 440 Kilometern auf: Heute sind 960 Kilometer reiner Radwege benutzungspflichtig, auf 350 Kilometern kann die Radlerin fahren, wo sie will. Auf 440 Kilometern muss die Radlerin kombinierte Geh- und Radwege benutzen, auf 90 Kilometern hat sie die Wahl. In 461 von 907 überprüften Einbahnstraßen dürfen RadlerInnen heute in die Gegenrichtung fahren.
Bei der Freigabe der Einbahnstraßen lässt Ulf Dietze vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) denn auch das Eigenlob des Senats gelten. Allerdings gebe es noch „eine Menge die ebenfalls freigegeben werden könnten“. Die 25jährige Alltagsradlerin Sandra Blessin findet die Freigabe ebenfalls gut, schränkt aber ein: „Das Problem ist, dass die Autofahrer anscheinend nichts davon wissen.“ Viele von ihnen seien überrascht und hupten.
Mit der Radwege-Benutzungspflicht sind besonders die Radler, die zügig vorankommen wollen, nicht glücklich. Der Radkurier Michael Stieler zum Beispiel moniert, dass „viele Radwege in einem schlechten Zustand“ seien. Immer mehr Männer und Frauen hätten High-Tech-Räder, die hohe Geschwindigkeiten erlaubten, auf die die Radwege nicht ausgelegt seien.
Der 31-jährige Wolfgang Schulz, der jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit fährt, hat für sich eine schlichte Konsequenz gezogen: „Wenn der Radweg gut ist, fahr' ich auf dem Radweg und wenn er schlecht ist, fahr' ich auf der Straße“, sagt er. Zwar sei es in vielen Städten schlechter um den Radverkehr bestellt als in Hamburg, aber auch in einigen besser, etwa in Freiburg. „Da kann Hamburg nicht andeutungsweise mithalten“, sagt Schulz.
Bei einigen besonders schlechten Radwegen haben RadlerInnen der Benutzungspflicht widersprochen. Der ADFC wartet nach Angaben Dietzes gespannt auf die Reaktion der Behörden. Im schlech-testen Fall will er die RadlerInnen beim Gang vor den Kadi unterstützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen