Nachgefragt zur Inneren Sicherheit: Ängste als „Politikum“
■ Klaus Ronneberger diskutiert heute Abend mit Innensenator Schulte
„Bildstörung: Innere Sicherheit im Brennpunkt Stadt“ heißt eine Podiumsdiskussion, auf der heute Abend Innensenator Bernd Schulte mit Viertel-Ortsamtsleiter Robert Bücking, dem Bremer Soziologen Thomas Leithäuser und dem Frankfurter Kulturwissenschaftler Klaus Ronneberger über Innere Sicherheit diskutieren wird.
taz: Schulte möchte öffentliche Plätze mit Kameras überwachen. Was halten Sie davon?
Klaus Ronneberger: Das ist eine Idee, die zur Zeit in allen Bundesländern grassiert. Das Vorbild ist England. Dort ist jede zweite Kommune mehr oder weniger flächendeckend mit solchen Kamerasystemen bestückt. Es gibt aber keinen Beleg dafür, dass dies zu einer nennenswerten Reduzierung von kriminellen Aktivitäten führt, höchstens zu einer Verlagerung. Tatsächlich geht es um eine neue Kontrolle von Menschengruppen, die im Stadtbild nicht gerne gesehen werden.
In Leipzig wurden nachts auf dem Bahnhofsplatz regelmäßig Ausländer von Neonazis zusammengeschlagen. Seit es dort Videokameras gibt, kommt das nicht mehr vor.
Die Statistik der Überfälle von Nazis auf Nichtdeutsche wird durch die Überwachung nicht geringer. Das Problem wird nur verlagert.
Den Bahnhofsplatz kann man aber kaum meiden.
Dafür brauche ich keine Videokamera. Die Präsenz einer Ordnungskraft reicht an solchen Punkten aus.
Tiefgaragen sind ein typischer Angstraum. Oft werden sie schon überwacht. Hat das jemandem geschadet?
Damit lenkt man von der Frage ab, wo eigentlich Gewalt gegen Frauen passiert. Frauen sollten lieber auf die Straße gehen, denn die meiste Gewalt gegen sie findet doch daheim statt. Stattdessen stilisiert man die Frau im öffentlichen Raum als ein Opfer, obwohl sie im Verhältnis zu männlichen Jugendlichen viel weniger Gegenstand von Übergriffen ist.
Statistisch ist das sicher richtig, trotzdem haben Frauen nachts im Parkhaus Angst.
Angst werden Sie durch eine Videotechnologie nicht überwinden. Ich würde mir erstmal überlegen, ob der Diskurs über die berühmten Ängste der Bürger nicht selber Bestandteil dessen ist, was später als Angst herauskommt. Ängste sind ein Politikum.
Was sollte Bremen also tun, um auf das nächtliche Angstempfinden einiger zu reagieren?
Ich würde erstmal gegen diesen Angstdiskurs angehen.
Fragen: Dirk Asendorpf
Die Diskussion läuft heute um 20 Uhr im Schlachthof.
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