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Sierra Leones Rebellenführer verhaftet

Foday Sankoh erst nackt ausgezogen und jetzt „in Gewahrsam der Regierung, unter Obhut der UNO“. Jetzt eskaliert der Krieg

BERLIN taz ■ Sierra Leones Rebellenführer Foday Sankoh ist in der Hauptstadt des Landes Freetown festgenommen worden. Der 63-jährige Führer der Rebellenbewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front) wurde von Soldaten nackt durch die Straßen paradiert, bevor er in Haft geriet. Diese Behandlung eines Politikers, der offiziell Vizepräsident von Sierra Leone ist und die mächtigste Bürgerkriegsarmee des Landes anführt, scheint wenig geeignet, den Friedenprozess wieder in Gang zu bringen.

Seit Montag letzter Woche, als Regierungstruppen sein Haus in Freetown geplündert hatten, war Sankoh verschollen gewesen. Beobachter vermuteten ihn im Busch, in Gefangenschaft oder gar tot. Tatsächlich hatte er sich einfach in der Hauptstadt versteckt. Am Dienstagabend oder Mittwoch früh – die Berichte sind widersprüchlich – erkannte ihn ein Passant, als er nach dem Weg zur nigerianischen Botschaft fragte. Er war unbewaffnet und von einem Leibwächter begleitet.

Der Passant rief andere Zivilisten herbei, die Sankoh umringten und nackt auszogen. Dann übergaben sie ihn einer Gruppe von Soldaten, die ihn durch die Straßen in die Obhut des ehemaligen Putschisten und heute führenden Armeekommandanten Johnny Paul Koroma führten.

Von dort holten ihn später britische Soldaten ab, die ihn per Hubschrauber in eine Kaserne ausflogen. Nach Angaben des britischen Außenministeriums ist Sankoh jetzt „in Gewahrsam der Regierung von Sierra Leone, unter Obhut der UNO“. Diese beiden müssten nun über sein Schicksal entscheiden.

In Freetown gab es gestern nach Bekanntwerden der Nachricht von Sankohs Festnahme Freudenfeiern. Viele Bewohner der Stadt sind davon überzeugt, dass der RUF-Chef das alleinige Hindernis für Frieden ist. Möglicherweise ist aber seine Festnahme eher ein Fanal für eine weitere Eskalation des Krieges. 1998 war Sankoh schon einmal gefangengenommen und zum Tode verurteilt worden, woraufhin seine Anhänger Anfang 1999 Freetown stürmten und große Teile der Stadt niederbrannten. Auch heute ist die RUF als Armee noch in weiten Teilen intakt.

Die ersten Anzeichen für eine Eskalation gab es bereits gestern. Beim ersten Schusswechsel zwischen britischen Soldaten und RUF-Rebellen wurden 16 Kilometer östlich des Flughafens von Freetown drei RUF-Kämpfer getötet. In Port Loko noch weiter östlich kam es daraufhin zu einem Angriff der RUF, bei dem ein UN-Soldat und sechs Regierungssoldaten starben. D.J.

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