: Das Kreuz mit der Tradition
Das Passionsspiel geht auf ein Gelübde von 1633 zurück. Als schwedische Soldaten die Pest in den oberbayerischen Pfaffenwinkel einschleppten, schworen die Oberammergauer, wenn die Seuche an ihrem Dorf vorüberginge, würden sie alle zehn Jahre die Passion ihres Herrn Jesus Christus nachspielen. Das Holzschnitzerdorf wurde verschont, seine Bewohner erfüllen seit 1634 ihr Gelübde.
1880 erschloss der Reiseveranstalter Cook das Oberammergau-Unternehmen für den internationalen Tourismus. Bis 1930 stieg die Besucherzahl auf 400.000, aber auch die Kritik an der Geschäftstüchtigkeit der „frommschlauen Bauern“ (um Lion Feuchtwangers Roman „Erfolg“ zu zitieren) wurde lauter.
Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte man auf der Basis des Textes weiter, den 1860 der Oberammergauer Pfarrer Daisenberger verfasst hatte. Um diesen Text entspann sich in den Sechzigerjahren eine politische Kontroverse, in der es vor allem um antisemitische Tendenzen ging. 1977 setzte eine Reformergruppe durch, dass ein aus dem Barock stammender Text erprobt wurde. Am Ende spielten die Oberammergauer wieder die Daisenberger-Fassung.
Die Zuschauerzahl überstieg 1960 die halbe Million. Einen Einschnitt brachte 1990 die Klage von Oberammergauer Frauen gegen die Passionsspiel-Regel, wonach nur ledige Frauen unter 35 Jahren mitwirken dürfen. Eine Gerichtsentscheidung verpflichtete das Passionsspiel zu „weltanschaulicher Neutralität“. Der Raum für Veränderungen war geöffnet.
Spielleiter Christian Stückl (Enkel des unterlegenen Christus-Kandidaten von 1950) wurde jüngst zum Intendanten des Münchner Volkstheaters berufen. Dramaturg Otto Huber ist studierter Literatur-und Theaterwissenschaftler. Zur Vorbereitung des Spiels von 2000 fuhren sie mit den Oberammergauern nach Israel an die Originalschauplätze. Und in einem Filmseminar konfrontierten sie die Darsteller mit anderen Christus-Darstellungen wie der von Pasolini oder der englischen Monty-Python-Truppe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen