: Teilvermummung für Wagenplatz
Hamburgs Bauwagenbewohner machen mit Aktion Druck. Die Odyssee der „Dosengarten“-Gruppe dauert weiter an ■ Von Kai von Appen
„Wir sind alle Dosengarten!“: Mit Aktionen haben sich gestern BauwagenbewohnerInner verschiedener Plätze für eine feste Bleibe der Gruppe „Ich hab dir nie einen Dosengarten versprochen“ eingesetzt. Ihr Ziel: Deutlich zu machen, dass es in Hamburg genügend Plätze gibt, auf denen alternatives Zusammenwohnen in Gefährten möglich ist. Die zwölfköpfige „Dosengarten“-Gruppe wollte indes gestern abend auf ihrer erneuten Odyssee durch Hamburg mit einer Cocktailparty ein neues Domizil auf der Moorweide – das 24. seit 1998 – einweihen.
Die Aktionen waren zwar abgesprochen, aber dennoch alternativ nicht koordiniert. Und so konnte es kommen, dass die Bauis in der City Nord gegen Mittag bei Polizei und Bezirkspolitik beinahe „high noon“ auslösten. Dort hatte eine Gruppe mit einem Gefährt die Wiese am Übersee-/Jahnring zu einem Picknick belegt. Provokative Forderung am Wagen: „Eine Million Wagenplätze für Hamburg.“ Als ein weiterer Treck, der ganz woanders hinwollte, den Ort des Geschehens passierte, wurde er kurzerhand von Ordnungshütern festgesetzt.
Doch so schnell die Aufregung entstanden war, so schnell war sie auch wieder verflogen: Die Polizei gewährte dem Treck die Weiterfahrt, der den ganzen Tag die Botschaft der Bauis durch die Stadt trug; mit den „Platzbesetzern“ einigten man sich auf „das übliche Procedere“. Gartenamt-Vertreter Rainer Borstelmann brachte die Botschaft: „Bezirkamtsleiter Frommann sagt: sofort räumen“, ein Bote daraufhin die Verfügung und die Bauis zogen ab. Auch die angeblich erspähte „Teilvermummung“ wegen „overstyling“ (Perücken, Sonnenbrillen) ahndete die Polizei nicht.
Die Dosengarten-Gruppe hatte auf ihrer neuerlichen Tour die vergangenen Tage auf einer Wiese am Deepenstöcken (Eimsbüttel) verbracht. Anschrift: „nur.Andersgarten.de.“ „Ein tolles Grundstück, wenn wir nur einen kleinen Teil bekommen, wäre das super“, schwärmt ein Dosengärtner. Doch die Stadt möchte das Gewerbeareal verkaufen.
Die Dosengarten-Odyssee hatte im Oktober 1998 begonnen, als die Gruppe vom idyllischen Biotop am Ernst-August Kanal in Wilhelmsburg vertrieben wurde – angeblich, weil das Areal für die Hafenquerspange gebraucht würde. Nach einer Irrfahrt durch vier Bezirke landete die Gruppe vorübergehend als Gast auf dem Bauwagenplatz „Hospi“ in Altona. Zur Überwinterung bot ihnen damals Altonas Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer den Parkplatz Braun am Volksparkstadion an – daraus wurde zunächst eine Dauerlösung.
Nach dem Stadionumbau beansprucht nun wieder der HSV das Terrain, Hornauer stellte den Dosengärtnern deshalb ein Räu-mungsultimatum bis Ende Mai. „Es gibt so viele und noch mehr freie Plätze“, so die Bauis, „um dort eben Menschen in ihren Wagen leben zu lassen.“
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