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Türkinnen machen Putz

Erstmals melden sich türkische Anwohnerinnen des Kottbusser Tors zu Wort. Sie bemängeln den steigenden Zulauf von Junkies und die Vernachlässigung des Kiezes durch die Polizei

von JEANNETTE GODDAR

Schon seit Jahren thematisieren und instrumentalisieren politische Vertreter aller Couleur die Zustände rund um das Kottbusser Tor. Jetzt machen die dort Wohnenden mobil: türkische Mütter, die sich von allen Verantwortlichen allein gelassen fühlen.

Am Dienstagabend luden sie in das neu eröffnete „Café Aktuell“ im Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ) am Kottbusser Tor zur Pressekonferenz. In eindringlichen Worten schilderten die Türkinnen teils dramatische Zustände in der Gegend: Spritzen, wohin man blickt, Exhibitionisten auf dem Hinterhof, Junkies in den Treppenhäusern, eine wachsende Verwahrlosung des Geländes wie auch seiner Bewohner.

Sibel Gürkan berichtete vom „Spielplatzfest“ Ende April, das für die Bewohner des NKZ der Startschuss einer neuen Ära werden sollte. Kurz zuvor war ihnen nach jahrelangem Hin und Her zugesichert worden, auf dem Gelände einen Spielplatz zu errichten. Für Gürkan jedoch war der fröhliche Teil der Veranstaltung beendet, als ihr fünfjähriger Sohn mit einer blutigen Spritze in der Hand vor ihr stand. Zu allem Unglück hatte der Junge sich an der Spritze auch noch verletzt und wird seither alle vierzehn Tage ärztlich auf Hepatitis und HIV untersucht. „Sollte sich herausstellen, dass er sich infiziert hat“, konstatiert die junge Mutter, „werde ich mir mein Leben lang Vorwürfe machen.“

Es war das erste Mal, dass türkische Frauen am Kotti offensiv auf ihre Probleme aufmerksam machten. „Wir sind es leid, dass wir von der deutschen Öffentlichkeit immer nur als passive Frauen, die kochen und waschen, angesehen werden“, eröffnete Hasibe Erdogmus die Veranstaltung, „jetzt gehen wir an die Öffentlichkeit, damit die zuständigen Menschen uns endlich hören.“ Zwar begrüße man, dass es mit dem Café Aktuell nun endlich auch einen Treffpunkt für Frauen gebe und dass ein Spielplatz geplant sei, „aber es lohnt sich nicht, hier Sandkästen aufzubauen, wenn darin Spritzen liegen“.

Bemängelt wurde vor allem der seit diesem Jahr wieder steigende Zulauf von Drogenabhängigen vor, aber auch im NKZ. „Wenn der Fahrstuhl kaputt ist, trauen unsere Kinder sich nicht, durch das dunkle Treppenhaus zu gehen“, sagte eine Mutter. Zudem vernachlässige die Polizei den Kiez. Die Drogenabhängigen, so eine weitere Mutter, könnten ja nichts dafür, „aber warum ballt sich das hier so“? Worauf Hasibe Erdogmus mutmaßte, ihr dränge sich der Eindruck auf, die Polizei würde auch deswegen kaum noch vorbeischauen, „weil hier so viele Ausländer wohnen“. Für den noch zu bauenden Spielplatz forderten die Frauen die ständige Anwesenheit von Sicherheitspersonal – und zwar „nicht auf Kosten der Mieter.“

Die Anregung, doch aus Kreuzberg wegzuziehen, wiesen die Frauen weit von sich. „Warum wir hier wohnen bleiben?“, erregte sich Sibel Gürkan, und antwortete mit einer Gegenfrage: „Warum nicht? Ich bin hierher gezogen, als ich zwölf war; meine Freunde und meine Nachbarn wohnen hier. Und außerdem: Wenn wir auch noch gehen, wer bleibt denn dann noch übrig?“

Ein letzter Hinweis der Türkinnen richtete sich aber auch an die, die jedes Jahr am 1. Mai meinen, in Kreuzberg für die Revolution eintreten zu müssen: „Die kommen zum Teil aus Westdeutschland hierher und zerstören unsere Häuser“, erklärte Hasibe Erdogmus, „warum demonstrieren die eigentlich nicht in Spandau oder Charlottenburg?“

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