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Mein Hirn und die Maschine

Informationstechnik boomt – aber die Frauenquote bei Informatikstudenten sinkt. Grund sind die Männermythen, die sich um Computer ranken

von BARBARA DRIBBUSCH

Die Stars am Computer sind männlich, blass, übernächtigt und haben ihren Körper irgendwo im Großhirn verstaut. So jedenfalls sieht das Klischee über die verhinderten Genies am Computer aus – es ist verbreitet genug, um Frauen abzuschrecken. „Wenn sich nichts ändert, werden die Frauen in der IT-Branche zunehmend abgehängt“, fürchtet Gertrud Heck-Weinhart von der Gesellschaft für Informatik in Bonn. Ein heute beginnender Kongress in Bremen beschäftigt sich mit der Frage, warum sich so wenige Frauen für Computerjobs interessieren. Und wie das zu ändern ist.

Unter den AkademikerInnen in der Datenverarbeitungs- und Softwareindustrie sind nur ein Sechstel Frauen. Noch schlimmer: Der Anteil der Frauen beim Informatikstudium ist in den vergangenen 20 Jahren zurückgegangen. Ende der Siebzigerjahre war noch fast jeder fünfte Studienanfänger in der Informatik eine Frau. Heute ist nicht mal ein Siebtel der Informatikstudenten weiblich. Als die männliche Konkurrenz größer wurde, weil das Fach plötzlich als attraktiv galt und entsprechende Leistungskurse schon an den Schulen eingerichtet wurden, „wurden die Frauen beiseite gedrängt“, meint Heck-Weinhart.

Ein Lösungsversuch besteht deshalb darin, künftig Informatikstudiengänge nur für Frauen einzurichten (siehe unten). Wenn Frauen ohne die erdrückende Konkurrenz der Männer in Ruhe lernen könnten, dann würden auch viele von ihnen einen informationstechnischen Studiengang wählen, so lautet die These.

Die Erfahrung zeigt, dass der „Vordrängelfaktor“ durchaus eine Rolle spielt : Schon in den Computerkursen in der Schule klumpen die Jungs vor den Geräten, die Mädchen stürzen eher in der Pause an den Bildschirm. Doch das größere Problem sind die Männermythen rund um die Computerbranche. Informatikstudentinnen behielten daher eine „gewisse Fremdheit“ gegenüber der Computerkultur bei und zweifelten an ihrer Kompetenz, so heißt es in einer Studie des Freiburger Instituts für Informatik und Gesellschaft. Der Mythos des einsamen, körperlosen Computerfreaks schreckt Frauen ab. „Dabei besteht die Hauptarbeit eines Informatikers in der Kommunikation“, betont Karin Kleinn, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Freiburger Institut.

Wer beispielsweise ein Kreditabwicklungsprogramm für eine Bank bastelt, muss sich vorher mit den praktischen Arbeitsabläufen beschäftigen. Das Codieren mache höchstens 30 Prozent der Arbeit in der Informatik aus, erklärt auch Heck-Weinhart.

Kein Wunder, dass daher im Anwendungsbereich eher die Frauen arbeiten, die Männer aber in der Programmierung vor sich hin basteln – letzterer Bereich gilt bezeichnenderweise als „prestigeträchtiger“, schildert Kleinn.

Dass Computerarbeit quasi von Hause aus Männersache sei, ist nicht nachweisbar. Thesen über die vermeintlich größere naturwissenschaftliche Begabung der Männer läßt Heck-Weinhart nicht gelten: „Es gibt genug Männer, die stolz sind auf ihre Fünf in Mathe.“ Die individuellen Unterschiede in der Begabung seien erheblich größer als die Geschlechtsunterschiede. Immerhin liegt der Anteil der Frauen bei den Mathematikstudenten – worunter ja auch Lehramtsstudien fallen – bei rund 30 Prozent.

Doch gegen die Fremdheit der Maschinenkultur, die vermeintlich weiblicher Körperbetontheit widerspricht, ist nur schwer anzugehen. „Viele Frauen sagen, sie finden Computer einfach langweilig“, erklärt Karin Vosseberg vom Projekt Informatica Feminale, einer Sommeruniversität für Computerfrauen. Wo aber die Lust an der Maschine fehlt, da kann selbst das beste Frauenprogramm nichts ausrichten. Vosseberg plädiert deshalb dafür, die Computerausbildung stärker mit anderen Fächern zu vernetzen. Immer dort, wo wieder Menschen mit Menschen zu tun haben, fänden sich wundersamerweise auch mehr Frauen: In der Medieninformatik gebe es mehr Studentinnen, auch in den Multimedia-Jobs rund um das Internet. Vosseberg fordert daher eine praktischere Ausbildung in der Informatik für Frauen, aber auch zusätzliches Kommunikationstraining für Männer. „Es müsste zu Beginn des Studiums noch richtige Einführungskurse ins Programmieren geben.“ Gleichzeitig aber sollten die Studenten auch üben, wie man die eigenen Programme „vernünftig verbal beschreiben kann“.

In anderen Ländern ist man da weiter: Nach einer vom Institut für Informatik und Gesellschaft erstellten Statistik liegt der Frauenanteil in Computerstudiengängen in Großbritannien bei 24 Prozent, in Irland bei 23 Prozent und in Zypern sogar bei 36 Prozent.

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