: Unheilbarer Alptraum
A3XX und Mühlenberger Loch: Betroffene und Umweltverbände kündigen Klagen gegen Senatsplan an. Krisengipfel im Rathaus ■ Von Sven-Michael Veit
„Dieser Beschluss ist ein Torso“, resümiert Peter C. Mohr. Er sei „sachlich falsch“ und zudem „formal wie inhaltlich rechtswidrig“. Deshalb, kündigte der Anwalt gestern an, werde er im Auftrag seiner Mandanten vor dem Verwaltungsgericht Hamburg Klage auf „Aufhebung“ des Planfeststellungsbeschlusses zur Erweiterung des Dasa-Werks Finkenwerder stellen.
Der 450 Seiten starke Beschluss der Wirtschaftsbehörde, der seit einer Woche öffentlich ausliegt, sieht die Erweiterung des Werks in die ökologisch wertvolle Elbbucht Mühlenberger Loch vor sowie die Verlängerung der Start- und Landebahn. Damit will der Senat die Voraussetzungen schaffen für die „Endlinienfertigung“ des projektierten Riesen-Airbus A3XX, um die sich Hamburg offiziell bewirbt.
Im Text des Planfeststellungsbeschlusses ist allerdings, moniert Mohr, nur noch von „Fertigung“ die Rede. Dies sei „ein Widerspruch zur Senatsentscheidung“ und könne allein schon deswegen zur Nichtigkeit des gesamten Verfahrens führen.
Das dämmert auch der rot-grünen Koalition. Nach einem Krisengipfel beim Bürgermeister auf Druck der GAL gestern Vormittag erklärten Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) und der grüne Umweltsenator Alexander Porschke, dass ausschließlich die Endlinienfertigung zur Diskussion stehe. Darunter, so präzisierten sie, sei „die Montage des A3XX zu verstehen, die einen Arbeitsplatzeffekt in der Größenordnung von 4000 zusätzlichen Arbeitsplätzen beinhaltet“. Damit stellt der Senat klar, dass eine mögliche Aufteilung der Endmontage zwischen den Airbus-Standorten Hamburg und Toulouse nicht zur Erweiterung des Dasa-Werkes und zur Zuschüttung des Mühlenberger Lochs führen würde.
Das beruhigt Mohrs Klientin Gabi Quast keineswegs. Die Obstbäuerin und Sprecherin des Schutzbündnisses für Hamburgs Elbregion, in dem etwa vierzig Vereine und Organisationen vereinigt sind, fürchtet weiterhin um „die Existenz der Menschen im Süderelberaum“. Etwa 2000 Arbeitsplätze in Landwirtschaft und Gastronomie seien bei einer Werkserweiterung gefährdet.
Kläger werden auch die Umweltschutzverbände NABU und BUND sein. Der vorliegende Beschluss sei „eine Verhöhnung deutschen und europäischen Umweltrechts“, sagt NABU-Geschäftsführer Manfred Prügel. Die vorgesehenen Ausgleichmaßnahmen könnten den drastischen Eingriff in die Natur „nicht kompensieren“.
Von einem „Alptraum für den Rechtsstaat“ gar spricht BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Die Behörde habe selber festgelegt, dass die geplanten ökologischen Ersatzflächen in der Haseldorfer Marsch oder auf Hahnöfersand „unverzüglich“ verwirklicht werden müssten. Zugleich räume sie ein, dass die aus dem Mühlenberger Loch vertriebenen seltenen Vögel neue Flächen frühestens nach vier Jahren annehmen würden: „Der zerstörte Lebensraum“, folgert Braasch somit, „ist nicht auszugleichen“.
Rechtsanwalt Mohr hat in dem Planfeststellungsbeschluss „noch eine Vielzahl weiterer erheblicher Mängel“ entdeckt. Diese „massiven Verfahrensfehler“, sagt Mohr, „sind unheilbar“. Womit der Jurist meint, dass eventuelle Nachbesserungen rechtlich nicht gestattet seien. Noch bis Ende Juni haben Anwalt, Naturschutzverbände und von der Planung betroffene Privatpersonen Zeit zur Klageerhebung. Die, kündigt Mohr an, „werden wir gründlich nutzen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen