piwik no script img

EU schafft Grab für alte Autos

EU-Kompromiss besiegelt Richtlinie: Hersteller müssen Neuwagen kostenlos entsorgen, ab 2007 auch alte Autos. Altautos müssen ab 2001 zu zugelassener Verwertungsstelle. Anteil an Schwermetallen in Pkws muss reduziert werden

aus BrüsselDANIELA WEINGÄRTNER

Kein guter Tag für den deutschen Autokanzler und seine Lieblingsindustrie: In der Nacht zum Mittwoch haben sich im Vermittlungsausschuss Vertreter des EU-Parlaments und des Ministerrats darauf geeinigt, die Altautorichtlinie im Wesentlichen in der Form umzusetzen, die vom Parlament im Februar in zweiter Lesung beschlossen worden war. Das bedeutet, dass die Hersteller für Fahrzeuge, die jetzt neu zugelassen werden, alle Entsorgungskosten tragen müssen. Ab spätestens 2007 müssen sie auch Altautos kostenlos zurücknehmen, die früher gekauft wurden.

Vor allem gegen diese Klausel hatte sich die deutsche Autoindustrie bis zum Schluss heftig gewehrt. Nach ihren Berechnungen würde dies für die derzeit auf Europas Straßen fahrenden 160 Millionen deutschen Modelle Entsorgungskosten zwischen 15 und 20 Milliarden Mark verursachen. Durch die nun bis 2006 verlängerte Übergangsfrist stellt sich der Aufwand weniger dramatisch dar. Die Industrie hatte argumentiert, dass sie für die vorschriftsmäßige Verwertung und Entsorgung jetzt schon zugelassener Wagen Kapital bereitstellen müsse, ohne – wie bei Neuwagen möglich – bereits beim Kaufpreis einen Aufschlag verlangt zu haben. Das würde die Preise für Neuwagen nach oben treiben und einen Wettbewerbsnachteil gegenüber außereuropäischen Pkw-Herstellern bedeuten. Dieser Effekt wurde, so der SPD-Abgeordnete Bernd Lange, der für seine Fraktion die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss führte, durch die verlängerte Frist abgeschwächt. „Die Pkw-Hersteller weinen zwar noch ein paar Krokodilstränen – aber letztlich können sie ganz gut damit leben.“ Besonders freue er sich darüber, dass durch die neue Gesetzgebung zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Entsorgung von Autos geschaffen würden.

Gerade diesen Effekt hatten Fachleute immer wieder bezweifelt. Sie hatten prophezeit, dass die Autoindustrie zentralisierte Rücknahmestrukturen schaffen und damit mittelständischen Recyclingbetrieben den Garaus machen könnte. Alle Experten waren sich aber einig, dass eine für den Letzthalter kostenlose Lösung gefunden werden müsse, um die jährlich in der EU anfallenden acht Millionen Tonnen Autoschrott zu bewältigen. Bislang trägt Autoschrott mit zehn Prozent zum Sondermüll bei.

Die Erfahrungen mit nationalen Altautoverordnungen in europäischen Ländern hatten gezeigt, dass nur ein Rücknahmesystem, das für den letzten Fahrzeughalter kostenlos ist, Erfolg verspricht. Sonst ist die vor allem in Südeuropa übliche Praxis, Schrottautos am Straßenrand zu entsorgen, nicht zu stoppen.

Die neue Richtlinie verlangt, dass schon ab kommendem Jahr alle Altautos bei einer zugelassenen Verwertungsstelle abgeliefert werden müssen. Bis im Jahr 2007 die Autoindustrie zur Kasse gebeten wird, sollen die Mitgliedsstaaten möglichst für die Kosten einspringen. In Dänemark, Schweden und den Niederlanden wurden mit solchen Systemen gute Erfahrungen gemacht. Sie sind aber in der Richtlinie nicht zwingend vorgeschrieben. Festgelegt wird aber, dass nur noch 15 Prozent, mittelfristig sogar nur 5 Prozent des Autoschrotts deponiert werden dürfen. Auch der Anteil an gefährlichen Schwermetallen in Pkw-Teilen muss reduziert werden. Der umweltfreundliche Kompromiss war möglich geworden, weil die deutschen Autofreunde im Ministerrat mit ihrer Position ziemlich isoliert dastanden. Viele hatten Jürgen Trittins Rolle, der als verlängerter Arm von Autoschröder die Umweltminister auf die deutsche Linie einzuschwören versuchte, noch in unangenehmer Erinnerung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen