: Auftakt zur Strandsaison
■ Am Wochenende startet die Masters-Serie im Beachvolleyball auf dem Heiligengeistfeld
Unmittelbar hinter dem hässlichen, aber nutzbringenden Treppenaufgang der Haltestelle St. Pauli tobt am Wochenende gute Laune. Direkt neben dem baufälligen Stadion und dem großen Zelt des Zirkus Probst wurde feinster Quarzsand ausgebreitet. Von Freitag bis Sonntag wird ganztägig das Image der olympischen Trendsportart Beachvolleyball routiniert zelebriert. Unabhängig von Frust und Jubel in der nebenstehenden Millerntorarena verbreiten die sommerlich knapp bekleideten Sandmänner und -frauen moderne Happiness.
Das einzige Strand-Ehepaar Jörg und Andrea Ahmann (auf dem Court dann mit ihren jeweiligen, homogeschlechtlichen PartnerInnen Axel Hager und Silke Schmitt) startet ebenso im Hauptfeld wie das nicht einmal verlobte jugendliche Traumpaar Niclas Hildebrandt und Nicole Fetting (deren PartnerInnen Rüdiger Strosik beziehungsweise Geeske Banck sind). Während Ahmanns am oberen Ende der Alterspyramide thronen, wohnen die gerade-mal-Twens Hildebrandt/Fetting im Erdgeschoss. Die taz sprach mit den beiden Generationen.
taz: Auftakt – wie jedes Jahr – im Hamburger Schmuddelwetter. Macht das Spaß?
Jörg: Es ist schön, dass es endlich los geht, denn wir haben bisher überall in Deutschland schon gewonnen, außer in unserer Heimatstadt, das wollen wir endlich nachholen. Dafür haben seit Februar intensiv in Südafrika, auf Fuerteventura und in L.A. trainiert, denn die Saison bis zu den Olympischen Spielen ist lang und anstrengend.
Andrea: Wenn mir die Sache keinen Spaß machte, würde ich da bestimmt nicht rumturnen.
Lenkt der Vergnügungspark rund ums Spielfeld mit lauter Disco-Beschallung, Sportmodeboutiquen und Starndbars ab?
Andrea: In den letzten drei Jahren hat der Rummel zwar noch mehr zugenommen, aber das ist auch ganz schön. Während der Trubel in der Halle nach der Änderung der Zählweise nur eine knappe Stunde dauert, wird den ZuschauerInnen hier ein ganzes Wochenende Spitzenvolleyball geboten. Das ist attraktiv und lohnt dann auch die weite Anreise.
Nicole: Der Trubel am Strand unterscheidet sich nicht wesentlich von dem in einer vollbesetzten Halle mit 1500 ZuschauerInnen.
Warum spielt Ihr denn Strandvolleyball – ist es langweilig in norddeutschen Sporthallen?
Andrea: Der sandige Untergrund und das Spiel zu zweit verhindert die hallentypische Spezialisierung der Spielerinnen – das fordert mich mehr heraus. In die Halle möchte ich eigentlich nicht zurück, denn besser Nummer 3 am Strand als irgendwo in der zweiten Liga rumbaggern.
Jörg: Ich kann im Sand auch als relativ kleiner Volleyballer erfolgreich sein. Wichtig ist eine rundum gute Spieltechnik. Nur draufhauen können reicht im Sand nicht.
Niclas: Ich mag vor allem, dass jeder Spieler mehr Ballkontakte hat.
Wo liegt eigentlich die Anstrengung beim Beachvolleyball?
Jörg: Eine Dreiviertelstunde bei Gluthitze Sprungaufschläge machen, das heißt den bunten Ball in 3,50 Meter Höhe mit voller Wucht und Drehmoment plaziert über das Netz zu zimmern, erfordert athletischen Grundlagen. Das geht nicht mal eben so. Wir haben die nächsten 9 Wochen jedes Wochenende einen mehrtägigen Wettkampf zu absolvieren: Von Hamburg geht es nach Mexiko, Kanada, Spanien, Norwegen, Portugal, und so weiter bis zum Ende der Olympia-Qualifikation am 15. August mit den anschließenden Deutschen Meisterschaften. Da müssen wir im Frühjahr konzentriert lostrainieren und gleichzeitig schwierige Spielsituationen psychologisch vorbereiten.
Das hat in der letzten Saison wohl nicht geklappt, als ihr zum ersten Mal seit 1995 nicht Deutscher Meister wurdet und international an Boden verloren habt?
Jörg: Axel verschleppte den ganzen Sommer eine Schulterverletzung. Die Rückkehr nach Deutschland am Samstag Morgen, nachdem wir am Freitag Nachmittag irgendwo rausgeflogen sind, ist schwierig: Überall nörgelnde Fragen, warum wir ausgeschieden sind und müde vom hektischen Rumreisen, müssen wir uns dann doppelt konzentrieren, um die erwartete Leistung zu bringen. Das klappt eben nicht immer.
Was sind Eure Saisonziele?
Jörg: Wir wollen unsere Platzierung bei Olympia, zuletzt Platz 9, verbessern.
Nicole: Unser Ziel ist ein gutes Abschneiden auf der Europameis-terschaft der Unter 23-Jährigen im August in Italien. An der DM in Timmendorf können wir dann leider nicht teilnehmen.
Niclas: Ich werde nach meinem Abitur zur Sportförderkompanie der Bundeswehr gehen und dann ein Jahr lang mit Vollgas Beachvolleyball spielen. Ich hoffe wir können uns diese Saison für die Deutsche Meisterschaft im August in Timmendorf qualifizieren. Langfristig fasziniert mich die World-Tour und natürlich Olympia 2004.
Andrea: Ich hoffe wir können diese Saison wieder ein paar Teams ärgern und unseren dritten Platz auf der Rangliste halten. Wenn allerdings die Nationalteams an einem Turnier teilnehmen, können wir fast traditionell nicht gewinnen, denn der Leistungsunterschied ist sehr groß.
Werdet Ihr als jüngere SpielerInnen ständig von den mitunter 15 Jahre älteren belächelt?
Nicole: Viele Spielerinnen der Beach-Tour spielen in der Halle, wie ich, beim TV Fischbek, und die anderen kenne ich aus der Bundesliga von der anderen Netzseite. Das ist kein Problem.
Niclas: Letztes Jahr habe ich einige Wild-Cards bekommen und das hing mir nach, aber mittlerweile habe ich mir auch Respekt erarbeitet. Das stellt sich meist dann ein, wenn die Alten mal nicht gegen mich gewonnen haben.
Ist es gut, wenn der/die EhepartnerIn ebenfalls Strandvolleyball spielt oder ist anschließend das Gezicke in Schenefeld besonders groß?
Andrea: Nein das ist kein Problem. Ich betreibe den Sport als engagierte Amateurin, während Jörg Profi ist. Wir ahnten vor der Heirat, wie eine Volleyball-Ehe funktioniert.
Jörg: Ich find das super. Es ist ein Vorteil, dass Andrea, nachdem ich Scheiße gespielt habe fachkundig wieder motivieren kann. Manchmal auch andersrum.
Bei Jörg und Andrea drückt Töchterchen Mirea die Daumen. Sitzt bei Euch Mutti auf der Tribüne und jubelt peinlich vehement? Niclas: Nein, dieses Jahr nicht, denn meine Eltern sind mit meinen Geschwistern zum Urlaub in Dänemark. Ein Haufen Mitschüler werden aber bestimmt vorbeigucken. Unklar ist, ob sie Fan-Transparente basteln werden.
Interview: Oliver Camp
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