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Kinderschüttelfuhren

■ Das breite Angebot an Kinder-Anhängern lehrt: Nur wer genau weiß, was er will, bekommt das Optimum

„Waas? Du kriegst ein Kind? Du hast doch gar keinen Führerschein!“ – solche entsetzten Ausrufe haben ihre Berechtigung verloren. Heutzutage gibt es so viele Lösungen, um Kinder auch mit dem Fahrrad zu befördern, dass die Entscheidung ein hartes Stück Arbeit geworden ist.

Die Basic-Version ist ein zusätzlicher Kindersitz am Fahradrahmen. Viele Eltern haben ihn gern vor sich, weil sie ihre Kleinen beim Fahren sehen und mit ihrem Oberkörper „beschützen“ können (bis 15 Kilogramm, ab 70 Mark). Sicherer ist aber eigentlich die Platzierung auf dem Gepäckträger (bis 22 Kilogramm, ab 100 Mark). Aber wenn Ross und Reiter koppheister schießen, landet auch das Kind mit dem Kopf zuerst. Für die kleinen Passagiere gilt deswegen strikte Helmpflicht.

Erheblich sicherer sind dagegen Anhänger, zumindest wenn das Fahrrad gute Bremsen hat: Die Kinder können nicht tief fallen und sind in der Regel durch einen stabilen Alurahmen geschützt. Angeschnallt wie im Auto überstehen sie sogar einen Überschlag unbeschadet. Auch der Transport von zwei Kindern ist in vielen Hängern kein Problem. Ein weiteres Plus ist der Reisekomfort: Die meisten Modelle bieten Wind-, Sonnen und Regenschutz sowie ein Insektennetz zum Wechseln, große Seitenfester gehören zum Standard. Für Gepäck und Proviant gibt es zusätzlichen Stauraum. So ist auch bei längeren Ausflügen gewährleistet, dass die Kids bei Laune bleiben. Fans schwärmen sogar von der beruhigenden Wirkung des sanften Schaukelns, durch die die Kinder gleich bettreif ans Ziel kommen.

Umstritten ist, ob das auch für Säuglinge gilt: Sie können zwar im Babykorb ebenfalls festgeschnallt werden, aber manche Mediziner raten zum Schutz der fragilen Wirbelsäule ab. Zumindest ist bei ungefederten Hängern eine vorsichtige Fahrweise angeraten, um allzu harte Stöße zu vermeiden.

Das Aussuchen unter den zahllosen Modellen ist für die Eltern von heute eine echte Aufgabe, die sogar schon eigene Internet-Newsgroups hervorgebracht hat. Einen Anhaltspunkt geben sicherlich die zum Teil saftigen Preise: Billig-Varianten sind im Kaufhaus ab 400 Mark zu haben, für einen stabilen Hänger muss man im Fachhandel schon etwas mehr ausgeben. Zubehör kostet extra – Liebhaber können mit allen Optionen bis zu 3.000 Mark loswerden.

Dabei wird es bei den Optionen erst richtig interessant: Viele Kinder-Anhänger sind eigentlich Multitalente. Mit festem Boden können sie als Bierkisten-Transporter weiterdienen, wenn die Kinder rausgewachsen sind. Andere können mit zwei zusätzlichen Rädchen in sekundenschnelle zum Kinderwagen umgerüstet werden – und ersparen so eventuell eine weitere teure Anschaffung. Der letzte Schrei sind „Jogger“: Statt der Deichsel wird ein Rad eingespannt und schon taugt das Gefährt sogar zum Inline-Skaten – aber Vorsicht: ohne Zusatzbremse kann das Skate-Gespann zum gefährlichen Geschoss werden.

Wer keinen Garagenplatz für die Kinderkutsche hat, sollte unbedingt den Falttest machen: Zwar lassen sich die meisten Modelle flachgelegt an die Wand lehnen, aber der Weg dahin kann mehr oder minder beschwerlich sein. Bei den Branchenbesten genügt ein Handgriff. Überhaupt ist das Handling ein wichtiges Kriterium: Gerade mit einem Kleinkind an der Backe kommt es auf einfachste Handhabung bei Umbau und Demontage an. Zu beachten ist auch die Breite: Im Zweisitzer hat der Nachwuchs zwar Gesellschaft, aber auf normalen Radwegen ist dann häufig schon kein Platz mehr – spätestens bei Gegenverkehr ist Ausweichen auf die Straße angesagt. In jedem Fall ist zum Aussuchen das eigene Fahrrad mitzubringen: Dann kann man sehen, welche Kupplung an den Rahmen passt.

Zum Schluss eine schlechte Nachricht für Einsteiger: Der Renner der Saison, der kanadische „Chauffeur“ (Grundpreis 700 Mark), ist zur Zeit vergriffen. „Der Importeur wird für Monate nicht liefern können“, bedauert Jörg Bülter vom Fahrradladen „Speiche“. Werdende Eltern sollten die Hängerfrage also schon in die Familien-Planung einbeziehen ... not

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