Diplomaten gehen in Berlin baden

Die im März ernannten 23 „Berlin-Botschafter“, die echten Diplomaten ihre Stadt zeigen wollen, sind schon ordentlich auf Tuchfühlung gegangen. Auch beim morgigen „Tag der offenen Tür der Polizei“ in Spandau wird es diplomatisch zugehen

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Es ist ein bisschen wie im Film: Plötzlich sitzt man in der Grunewalder Residenz von Sir Paul Lever, dem englischen Botschafter, und nimmt in ungezwungener Atmosphäre „Finger-Food“ zu sich. Oder ein Sonntag beginnt mit einem Brunch mit dem bolivianischen Botschafter nebst Gattin, Kind und Panamahut und dem irischen Botschafter und seiner Allerwertesten.

Wovon andere träumen, ist für einige Berliner längst Wirklichkeit geworden. Nachdem im März 23 „Berlin-Botschafter“ vorgestellt wurden – ganz normale Hauptstädter, für jeden Bezirk einer –, ist Bewegung aufs diplomatische Parkett gekommen. Sie waren unter 2.000 Bewerbern ausgesucht worden, um richtige Diplomaten mit einer „Welcome Home“-Aktion zu begrüßen. Ihre Vorschläge reichten vom Kiezspaziergang über das Angebot, „Kommunikator des kleinen Mannes“ zu sein, bis hin zur „geborgten Tante für Botschaftskinder“. Ausgedacht hatte sich die Aktion die Kommunikationsagentur ariadne & wolf, deren Sprecher Sascha Wolf für JazzRadio 101,9 in der „Diplomatic Lounge“ Botschafter befragt. Bei der Vorstellung der „Berlin-Botschafter“ hatte Wolf diese aufgefordert, „in Geschichtsbuchdimensionen“ zu denken.

Zumindest bei der Berliner Polizei ist es nun so weit, dass beim Tag der offenen Tür in Spandau alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt wird. Alexander Geipel, seines Zeichens Polizist und „Botschafter“ für Spandau, wird beim morgigen 29. „Tag der offenen Tür der Polizei“ Botschafter aus der Türkei, den Niederlanden, Namibia, Kap Verden und Pakistan an einem eigens für sie eingerichteten Begrüßungsstand willkommen heißen. Der 25-Jährige, der sich im März fast dafür entschuldigt hatte, dass auch Botschafter Knöllchen kriegen – „Dafür bin ich nicht zuständig“ –, hat einiges für den hochrangigen Besuch in petto. So besteht die Möglichkeit, bei den Polizeitauchern einen „Schnuppertauchkurs“ zu machen. „Sie müssen nur Badelatschen, Badehose und Handtuch mitbringen“, rät Botschafter Geipel.

Wer scharf auf das Sondereinsatzkommando der Polizei ist, kann die Truppe im Einsatz erleben. Falls sich ein Diplomat durch die „Botschafter“ zu sehr auf die Pelle gerückt fühlt, kann er sich bei Personenschützern Rat suchen. Polizeihunde- und Reiterstaffel und Schauspielerinnen wie die erotische Iris Berben und nicht mir ihr zu vergleichende Darsteller aus „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ werden ein Übriges tun, um den Diplomaten ein abgerundetes Deutschlandbild zu bieten.

Bisheriges Fazit von Geipel über seinen „Botschafter“-Job: „Es ist sehr anspruchsvoll und interessant.“ Leicht genervt reagiert er nur auf die gelegentlichen Fragen von Kollegen, ob er denn nun „ausgesorgt“ habe. „Ich mache das ja ehrenamtlich und nebenbei“, stellt er klar.

Auch Kathrin Rucktäschel, Marzahn-„Botschafterin“ und mit 17 Jahren die jüngste im Bunde, ist ganz angetan, wie sich die Aktion entwickelt hat. Am beeindruckendsten beim Besuch des englischen Botschafters fand sie, dass „die Villen so riesig sind, wie man sich das vorstellt.“ Nur: „Man ist doch erstaunt, wenn man mitkriegt, dass dort ganz normale Menschen leben.“ Sobald sie ihre Klausuren hinter sich hat, wird sie ihr Vorhaben, Diplomaten den Chinesischen Garten in Marzahn zu zeigen, weiterbetreiben.

Ein Ende der Botschafts-Diplomaten-Treffen ist nicht in Sicht. Am 4. Juni lädt die Tempelhof-„Botschafterin“ zur „Großen Renntag der Diplomatie“ mit 13 Trabrennen auf die Kaiserlich-Endell’sche Tribüne der Trabrennbahn in Mariendorf ein. Eine Woche später steht ein Bezirk auf dem Programm, den Diplomaten wohl eher meiden: Kreuzberg. Der dortige „Botschafter“, der Multimediakünstler Giovanni Di Sera, bietet ihnen an, sich den Karneval der Kulturen vom Rathaus Kreuzberg „aus der Vogelperspektive“ anzusehen.