Korbleger mit Doppellizenz

TuS Lichterfelde bildet seit Jahren den Unterbau für Basketballmeister Alba Berlin. Einige Spieler werfen für beide Teams. Mit Erfolg: Die kleinen Albatrosse stehen vor dem Aufstieg in die Bundesliga

von GERD DEMBOWSKI

Alba Berlin ist Meister geworden. Aber der letzte Korb ist noch nicht geworfen. In der Hauptstadt wird weiter gedribbelt. Kein Gedaddel, es geht um viel. Der TuS Lichterfelde spielt in der Qualifikation zur Ersten Bundesliga. Stipo Papic, Robert Maras, Sven Schultze und Stefano Garris, die alle schon mal auf der Alba-Playlist standen und mit Medaillen dekoriert wurden, müssen weiter fighten, um den kleinen Bruder von Alba zu verstärken. Nach einem Heimsieg gegen Ulm verlor Lichterfelde am Freitag 62:75 (26:41) gegen Nürnberg, am Samstag wurde Ulm 65:59 (37:29) auswärts bezwungen. Lichterfelde ist Tabellenerster. Am kommenden Wochenende kann der Aufstieg perfekt gemacht werden.

Seit 1992 besteht eine Kooperation zwischen Alba Berlin und TuS Lichterfelde, in der Jugendarbeit eine regelrechte Fusion. Alba und TuSLi trainieren kontinuierlich zusammen. So genannte Farm Teams sind eigentlich nur im nordamerikanischen Baseball und Eishockey etabliert. Doch hier zu Lande hat sich das Berliner Modell für den deutschen Basketball als einmaliges Vorbild konstruktiver Jugendförderung etabliert. Während Alba sich zum modernen Dienstleistungsunternehmen entwickelt hat, sichert TuSLi nicht nur den sportlichen Unterbau, sondern sukzessive auch den Nachwuchs für Bundesliga und Nationalteam. Im Gegenzug wird Lichterfeldes Coach Emir Mutapcic aus dem Alba-Geldtopf finanziert.

„Mutapcic gilt als dritter Trainer von Alba, der auch für das TuSLi-Team verantwortlich ist“, erläutert Carsten Kerner, der sich auf seine Weise an die Doppellizenzen einiger Spieler angepasst hat und als Manager beider Klubs ebenfalls eine Doppelfunktion übernimmt. „Es ist von der Arbeitszeit her keine Doppelbelastung, eher von der konzeptionellen Arbeit.“ Bei Kerner laufen alle Fäden zusammen. Das Tagesgeschäft bei Lichterfelde leisten noch zwei weitere hauptamtliche Kräfte. Durch die enge Trainerkonstellation gehen die Klubs vom sensiblen Austausch über die Stimmungen einzelner Spieler bis hin zur sportlichen Zukunft alles gemeinsam an.

Auch im Falle eines Aufstiegs in die höchste Spielklasse sieht Kerner „keine großen Veränderungen im Selbstverständnis der Kooperation beider Vereine.“ Noch vor fünf Jahren hatte sich TuS Lichterfelde schon einmal für die höchste Spielklasse qualifiziert. Aus Rücksicht auf die Zusammenarbeit mit Alba aber verzichteten sie. Jetzt sieht es anders aus, weil ein sicheres Sponsorenpaket geschnürt ist. Kerner würde im Erfolgsfall gern raus aus der miefigen Schulsporthalle an der Osdorfer Straße, hinein in die Schöneberger Sporthalle oder die Sömmering-Halle.

Kerner will aber aufpassen: „Die Kluft zu Alba darf nicht zu groß werden. Sonst schneidet man sich selbst den Unterbau ab.“ Der Manager vertraut seinen Trainern, die einen TuSLi-Besuch in der Ersten Liga in jedem Fall positiv sehen: „Wenn die Jungen am Saisonende an der Verantwortung zerbrechen und im Abstiegsstrudel der Sache nervlich nicht gewachsen sind, dann haben sie auch hier eine Erfahrung fürs Leben gemacht.“

Die Lichterfelder Korbjäger haben ihr Auftaktspiel deutlich mit 63:48 gegen den Noch-Bundesligisten SSV Ratiopharm Ulm gewonnen. Stipo Papic musste keine 24 Stunden später schon den Wechselspieler für Albas Wendell Alexis beim ersten Finalsieg über Leverkusen geben. Auch nach den Spielen am Freitag und Samstag werden die Hoffnungen auf ein zweites Berliner Team in der deutschen Eliteliga geschürt.

„Zu Saisonbeginn müssten wir dann eben eindeutige Kader festlegen, weil die Doppellizenzen wegfallen würden“, sagt Kerner. Ohne endgültige Rücksprachen kann er noch nicht genau sagen, welche der bisherigen Doppelagenten beim Aufstieg von Lichterfelde endgültig in den Alba-Kader aufrücken würden: „Was sollte ein Sven Schultze zum Beispiel bei Alba, wo schon zwei Etablierte auf dem Flügel sind – der würde dann ja durchsitzen.“ Doch Entscheidungen über Springer in den Teams fallen unter die Alba-Hoheit.

Eine Festschreibung der Kader hätte zur Folge, dass Alba wie auch TuSLi jeweils ein oder zwei neue Spieler verpflichten. „Das müssen nicht unbedingt junge Spieler, sondern das können auch ältere sein, die Routine im Team gewährleisten.“ So könnte die bisherige Symbiose fortgeführt werden. Insgesamt wollen die Vereine auch bei zweifacher Erstligazugehörigkeit weiterhin gemeinsam auf die Lichterfelder Talentschmiede und die von Kerner initiierte „Internationale Berliner Basketball Akademie“ setzen. Andernfalls „untergraben wir unser eigenes Konzept und schädigen unser Image.“