piwik no script img

Der Friede bleibt vorerst gewahrt

Auf dem Kleinen Parteitag stellten sich Grüne verunsichernde Fragen: Wie lassen sich Bundeswehreinsätze mit dem Parteiprogramm vereinbaren? Warum gibt es kein multiethnisches Kosovo? Am Ende obsiegte die grüne Diplomatie

aus Berlin BETTINA GAUS

Der rot-grüne Koalitionsfriede im Bereich der Außen-und Sicherheitspolitik ist vorläufig gesichert. Die Delegierten des Länderrats von Bündnis 90/ Die Grünen haben am Wochenende Beschlüsse gefasst, die es der Bundestagsfraktion erleichtern werden, bei der Bundeswehrreform eine Kompromisslinie mit der SPD zu finden.

Zwar hat der Kleine Parteitag mit den Dokumenten einerseits Positionen festgeschrieben, die sich von denen des sozialdemokratischen Partners grundsätzlich unterscheiden. Auf der anderen Seite aber lässt der Wortlaut einigen Spielraum für Verhandlungen. Darüber hinaus machten mehrere Delegierte indirekt deutlich, dass die Grünen die Meinungsunterschiede für überbrückbar halten und es darüber nicht zum offenen Konflikt kommen lassen wollen.

„Es darf uns nicht um eine isolierte Militärreform gehen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Winni Nachtwei fast beschwörend. Das A und O jeder Bundeswehrreform bestehe aus Sicht der Grünen darin, dass sie zwingend mit einer Stärkung der Fähigkeiten ziviler Krisenprävention einhergehe. Schon aufgrund entsprechender Beschlüsse von Nato und EU gebe es kein Zurück mehr zu einer Bundeswehr, die allein auf Verteidigung beschränkt sei.

Damit sie aber nicht zu einer Interventionsarmee werde, bedürfe es klarer politischer Kriterien: Einsätze müssten strikt an ein UN-Mandat gebunden und in eine politische Gesamtstrategie für die betroffene Region eingebunden sein. Zudem solle ein Militäreinsatz nur mit einer Zweidrittelmehrheit des Bundestages möglich sein.

Die große Mehrheit der Delegierten stimmte einem entsprechenden Leitantrag des Bundesvorstandes zu, dem zufolge außerdem die Wehrpflicht abgeschafft und die Zahl der Soldatinnen und Soldaten von jetzt 320.000 auf auf 200.000 Berufs- und Zeitsoldaten schrumpfen soll. SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping will an der Wehrpflicht festhalten und strebt eine Truppenstärke von etwa 280.000 an. Fraktionschef Rezzo Schlauch ließ in diesem Zusammenhang bereits durchblicken, wie die Entscheidung ausgehen dürfte. „Selbst wenn wir uns mit der Abschaffung der Wehrpflicht noch nicht durchsetzen können, so läuft doch alles darauf hinaus, dass sie in fünf bis sechs Jahren ohnehin weg ist“, sagte er. Ähnlich hatten sich andere Parlamentarier bereits vor dem Länderrat geäußert.

Die Anträge waren nicht unumstritten. Der Abgeordnete Christian Ströbele vertrat die Ansicht, der Leitantrag beinhalte eine „stillschweigende Absage“ an das geltende Parteiprogramm, dem zufolge die Grünen Kampfeinsätze ablehnen. Er forderte, der Länderrat solle über das Papier nicht abstimmen, sondern es an die Bundesdelegiertenkonferenz, den Parteitag der Grünen, überweisen. Dieser Antrag scheiterte zwar, beschlossen wurde aber, das Thema auf einem Parteitag erneut zu diskutieren. Auch mit verschiedenen Änderungsanträgen konnten sich die Parteilinke und die Grüne Jugend nicht durchsetzen.

In einem Beschluss zur Lage im Kosovo würdigten die Delegierten außerdem erneut den von Außenminister Joschka Fischer initiierten Stabilitätspakt für Südosteuropa und forderten mehr Geld für Krisenprävention und Konflikbearbeitung.

Im Rückblick auf den Kosovo-Krieg erneuerten sie die Kritik an der Popaganda beider Seiten und an der Nato-Kriegführung. Ein multiethnisches Kosovo sei nicht erreicht worden und sei – aus heutiger Sicht – auch nicht zu erreichen gewesen. Der Länderrat stellte den Bundeswehreinsatz als solchen auch rückblickend nicht in Frage.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen