: Kronzeugen-TV bei Razzia
Das Bundeskriminalamt sucht im Kreuzberger Mehringhof erneut nach Sprengstoff der Revolutionären Zellen. Dabei lenkt der Kronzeuge Tarek M. die Beamten per Videoschaltung
Das linke Szeneprojekt Mehringhof ist gestern zum zweitenmal innerhalb weniger Monate auf Geheiß der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe durchsucht worden. Dabei führten die Beamten des Bundeskriminalamtes erstmals eine Online-Videodurchsuchung durch und bedienten sich dabei der Hilfe eines Kronzeugen: Die Polizei nahm die Räume des Kreuzberger Projektes per Video auf und übertrug die Daten online an den Kronzeugen, der die Polizei per Telefon Kopfhörer lenkte.
Anlass sowohl der gestrigen Durchsuchung als auch der Razzia im vergangenen Dezember war ein lange zurückliegender politischer Zusammenhang: die Revolutionären Zellen (RZ). Die Bundesanwaltschaft hoffte, bei der gestrigen Durchsuchung im Mehringhof Spuren von Sprengstoff zu finden, der in den 90er-Jahren bei Anschlägen der RZ verwendet worden war.
Die Sprengstoffspuren sollen als Beweismaterial gegen fünf Männer und eine Frau aus Berlin dienen, die derzeit in Haft sitzen. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung und an Sprengstoffanschlägen beteiligt gewesen zu sein.
Einer der Inhaftierten nahm gestern per Videokonferenz an der Durchsuchung teil. Tarek M., der selbst beschuldigt wird, Rädelsführer der RZ gewesen zu sein und verschiedene Anschläge ausgeführt zu haben, gab den BKA-Beamten per Videoschaltung, Kopfhörer und Telefon Tipps, wo Sprengstoffspuren zu finden seien.
Tarek M. hatte bereits zuvor bei der Bundesanwaltschaft ausgesagt. Als Kronzeuge hofft er, seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. M. hat angegeben, dass ein Hausmeister des Mehringhofs dort Sprengstoff versteckt habe.
Da bei der ersten Razzia im vergangenen Dezember die Polizei in Sachen Sprengstoff nicht fündig geworden war, suchte man nun mit Hilfe von M. Spuren. „Weiter rechts, weiter rechts, stopp“, so dirigierte der Kronzeuge, der in einer geheimgehaltenen Haftanstalt einsitzt, die Polizei durch die Fahrstuhlanlage des Mehringhofes, auf den der Durchsuchungsbefehl zunächst beschränkt war. Ein anwesender Staatsanwalt erweiterte den Durchsuchungsbefehl später auch auf die weitere Umgebung des Schachtes.
Die Polizei stellte einen alten Müllsack und zahlreiche Proben sicher, die das BKA jetzt auswertet. Wann das Ergebnis der Untersuchung vorliegen wird, ist unklar. BABS/SAM/PLU
bericht und hintergrund SEITE 20
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen