: Eine gute Idee. Ein Kommuniqué
Die Konferenz „Modernes Regieren im 21. Jahrhundert“ debattiert viel. Herauskommen wird wenig. Dabei gibt es gute Gründe für solche informellen Treffen
von BETTINA GAUS
Strahlende Sonne, schöne Stadt, illustre Runde und viele Fernsehkameras: Wunderbare Voraussetzungen für das Treffen von mehr als einem Dutzend Staats-und Regierungschefs aus aller Welt in Berlin. Die Teilnehmer der Gipfelkonferenz, die heute anreisen und sich unter der Überschrift „Modernes Regieren im 21. Jahrhundert“ am Samstag für ein paar Stunden im Kanzleramt zusammenfinden, haben viel vor. Sie wollen sich mit so ziemlich allem befassen, was an Schlagworten derzeit die politische Debatte beherrscht – von der neuen Weltwirtschaftsordnung, den Herausforderungen durch die internationalen Finanzmärkte und dem Kampf gegen die Armut über die Grenzen und Möglichkeiten der Zivilgesellschaft und der Rolle der Politik in den Zeiten der Globalisierung bis hin zur Modernisierung des Staates und der sozialen Sicherungssysteme. Am Schluss soll herauskommen, was bei Konferenzen oft herauskommt: ein Kommuniqué.
Manches spricht dafür, dass das Schlussdokument schon fertig ist, bevor die Beratungen begonnen haben. „Sie werden im Kommuniqué sehen, dass man sehr konkret geworden ist“, hieß es schon am Montag auf dem Pressebriefing zur Gipfelkonferenz, von dem Journalisten mit der Quellenangabe „aus Regierungskreisen“ zitieren durften. Wenn man diesen Kreisen keine prophetischen Gaben unterstellen will, dann kennen sie also bereits den Text. Offiziell soll das Dokument allerdings von 200 Wissenschaftlern vorbereitet werden, unter ihnen ein leibhaftiger Nobelpreisträger, die in Begleitung der Politiker angereist sind, um heute in verschiedenen Arbeitsgruppen die Themen zu erörtern und am Samstag die Staats-und Regierungschefs über die Ergebnisse ihrer Arbeit zu informieren.
„Nicht sozusagen ein Gebäude“
Diese Arbeit soll auch nach dem Gipfeltreffen weitergehen. Ein Netz aus Beraterkreisen der unterschiedlichen Regierungen solle entstehen, haben die Regierungskreise den Medien mitgeteilt. Was man sich darunter vorzustellen habe, wollte ein Journalist wissen. Antwort: Ein Institut, „das nicht sozusagen ein Gebäude ist, sondern das virtuell die Beraterstäbe und Wissenschaftler aus den einzelnen Ländern, die sich mit diesen Fragen befassen, vernetzt“. Diese Antwort hilft nun allerdings nicht so recht weiter und dürfte kaum geeeignet sein, Skeptiker vom Sinn der Konferenz zu überzeugen.
Dabei lassen sich für ein Gipfeltreffen mit einer eher unverbindlichen Tagesordnung sinnvolle Gründe finden. Derzeit finden Begegnungen auf höchster Ebene, die nicht von großem Erwartungsdruck begleitet sind, fast nur bei Staatsbegräbnissen statt. Nun stirbt aber nicht immer jemand zu einem wünschenswerten Zeitpunkt: Die Einrichtung eines Gipfels, der sich zwar in konkreten Ergebnissen niederschlagen kann, aber nicht muss, ist deshalb eine gute Idee.
Das gilt umso mehr, als die Grenzen zwischen Außenpolitik und Innenpolitik in der globalisierten Welt immer mehr verschwimmen. Viele Regelungen, die Regierungen durchaus nach wie vor im nationalen Alleingang beschließen können, sind häufig entweder nicht durchsetzbar oder bringen einem Land erhebliche Wettbewerbsnachteile, wenn sie nicht von mehreren Staaten gleichzeitig eingeführt werden.
Der zwischenstaatliche Gesprächsbedarf wächst ständig, und Verbündete werden gesucht. Nach denen wird erst einmal in den eigenen Reihen gefahndet – oder was man für die eigenen Reihen hält. „Als der Bundeskanzler die Einladung ausgesprochen hat, ist ein sehr großer Drang entstanden, an dieser Konferenz teilzunehmen“, hieß es auf dem Pressebriefing. Leider dürfen dieses Mal noch nicht alle kommen, die gerne kommen wollen. Vielleicht bei späterer Gelegenheit.
Mitte links. Oder so ähnlich
Teilnehmen darf nicht einmal derjenige, der bei einem ähnlichen Treffen Ende letzten Jahres in Florenz die Idee zur Folgekonferenz gehabt hatte: der italienische Regierungschef Massimo D’Alema. Er ist nicht mehr im Amt. Eingeladen wurden aber nur Staats- und Regierungschefs, und zwar von Südafrika und Neuseeland bis Brasilien und Chile solche, die irgendwie „progressiv“ sind. Mitte links. Oder jedenfalls so etwas Ähnliches. Beim Pressebriefing wurden sie dann als „reformorientierte Mitte-Links-Regierungen“ bezeichnet. Die Presseagentur dpa schreibt inzwischen über die Konferenz reformorientierter Staats- und Regierungschefs ohne Anführungszeichen. Von der Werbewirksamkeit her ist das kaum zu toppen.
Die Auswahl der Gäste und auch die lange Liste der Themen fördert allerdings Zweifel, ob es allen Beteiligten und vor allem Gastgeber Gerhard Schröder tatsächlich in erster Linie um den internationalen Gedankenaustausch geht – oder nicht vielleicht doch vor allem um schöne Fernsehbilder, die ihn als weltweit anerkannten Staatsmann zeigen. Allzu zufällig wirkt die Zusammensetzung des Teilnehmerkreises: Sind Neuseeland und Südafrika aus irgendeinem anderen Grund dabei als dem, dass die Veranstalter eben gerne behaupten wollten, Spitzenpolitiker „aus aller Welt“ seien nach Berlin gereist?
Die Tatsache, dass manche Gäste vor allem mit einem Blick auf die Landkarte hinzugebeten worden zu sein scheinen, ist vor allem deshalb ärgerlich, weil das Interessanteste an einer Gipfelkonferenz oft die bilateralen Begegnungen hinter den Kulissen sind – und für ein Treffen ohne Erfolgsdruck könnte das in besonderem Maße gelten. Viele der Staats- und Regierungschefs hätten einander jedoch im Vier-Augen-Gespräch nur wenig zu sagen, und so richtet sich denn das Augenmerk vor allem auf das Treffen zwischen Schröder und US-Präsident Bill Clinton.
Diese beiden haben eine lange Liste von Gesprächsthemen. Die europäischen Bedenken gegen das von den USA gewünschte nationale Raketenabwehrsystem, die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten, umstrittene Sorgerechtsfälle nach Scheidungen binationaler Ehen und die Entschädigung für Zwangsarbeiter sind nur einige davon.
Aber wie wichtig ist es noch, was Bill Clinton zu sagen hat? In acht Monaten ist er nicht mehr im Amt. Und vielleicht folgt ihm ein Republikaner nach. Der dürfte dann am nächsten Gipfel dieser Art nicht teilnehmen – er wäre ja keiner der reformorientierten Mitte-Links-Politiker.
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