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■ Rosi Rolands Bremer GeschichtenWilli im Schoß der Kirche

Hans Koschnick war es, Klaus Wedemeier war es und natürlich ist es auch der lange Henning. Das Amt, „Senator für kirchliche Angelegenheiten“, kommt nämlich im Doppelpack mit dem des Präsidenten des Bremer Senats. So ist es Bremer Sitte, und von seinen Sitten trennt sich der Bremer ungern.

Auch Willi Lemke, das ist ja nun nichts Neues mehr, möchte gerne Präsident des Senats werden. Doch lag ihm bisher noch ein echter Stolperstein im Weg. Der agile Bildungssenator war nämlich für das Amt des Kirchensenators denkbar schlecht qualifiziert, hatte er der Glaubensgemeinschaft doch Anfang der 70er den Rücken gekehrt und in den Jahren danach als Besserverdiener eine ganz schöne Menge Kirchensteuer gespart.

Kann es aber in Bremen einen atheistischen Senatspräsidenten in der Doppelfunktion eines Kirchensenators geben? Wohl kaum. Und auch die Mehrheit der Bremer WählerInnen ist – allen Kirchenaustritten zum Trotz – noch immer evangelisch. Kann es sich die SPD da leisten, mit einem abgefallenen Sohn als Spitzenkandidaten in die Wahl zu ziehen?

Ausgetreten war der schnelle Willi Anfang der 70er Jahre. „Ich hatte nichts gegen die Religion, aber die Politik der Kirche hat mir damals überhaupt nicht gepasst“, erinnert er sich. Außerdem betätigte Lemke sich zu der Zeit ja gerade als Doppelagent. KGB, Verfassungsschutz und Kirche, für so viele Hüte war wohl selbst Willis Kopf zu klein.

Als Bildungssenator bekam er es in den letzten Monaten immer öfter mit der Kirche zu tun. So musste er sich oft die Klage da-rüber anhören, dass in Bremer Schulen weit über 50 Prozent der im Lehrplan vorgesehenen Religions-Stunden ausfallen. Der Bildungssenator zeigte sich betroffen, nach seinem persönlichen Glaubensbekenntnis hatte ihn zum Glück niemand gefragt.

Eigentlich hatte er ja schon längst nichts mehr gegen die Kirche. Aber einfach wieder einzutreten, das hätte natürlich bös nach Opportunismus gerochen. Doch die Altlast des Kirchenaustritts wollte Willi als Karrierehindernis gerne aus dem Weg räumen. Da kamen ihm – Gott sei Dank – die Kinder zu Hilfe. Keines seiner vier Sprösslinge hatte Lemke taufen lassen, doch zwei wollen das jetzt nachholen. Immerhin geht der Jüngste ja aufs Ökumenische Gymnasium. Prima Grund, dachte sich Willi und kehrte vor ein paar Wochen in Gottes großen Schoß zurück.

Werden wir Willi jetzt also jeden Sonntag in der Kirche sehen? „Um Gottes willen“, entfährt es ihm spontan. Das bezeugt Eure

Rosi Roland

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