: Kronen versilbern
Der dänische Offshore-Bereich ist dynamisch: Dort kann man sichjetzt an einem Bürgerwindpark-Projekt bei Kopenhagen beteiligen
Schon 1976 entwarfen und bauten Studenten der dänischen „Twind-Schulen“ – eine Art alternativer Volkshochschule auf Jütland – eine Windkraftanlage mit der für damalige Verhältnisse gigantischen Leistung von zwei Megawatt (MW). Diese Anlage steht und produziert noch heute. Seit Anfang der Achtzigerjahre dann wurde dank eines Stromeinspeisungsgesetzes für Windstrom aus dem Jahr 1978 die Nutzung des luftigen Elements sukzessive und flächendeckend ausgebaut; Vindmøllelaugs – Betreibergenossenschaften – schossen aus dem Boden. Heute haben über 150.000 dänische Haushalte Anteile an einer Windmühle, die Akzeptanz für die Technologie ist in dem kleinen Land nach wie vor hoch. Der Anteil der Stromerzeugung durch Windenergie liegt landesweit bei über 10 Prozent.
Doch die Liberalisierungsbestrebungen der Europäischen Union machten auch vor Dänemark nicht halt. Die Grundlage war in diesem Fall die Elektrizitätsrichtlinie des Parlaments der EU, die einen gemeinsamen europäischen Binnenmarkt für leitungsgebundene Energien vorsieht und die Übertragung der Liberalisierung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten fordert. Daraufhin verabschiedete Dänemark im Mai letzten Jahres ein neues Energiewirtschaftsgesetz, das zum 1. Januar 2000 in Kraft trat. Dieses Gesetz wird nach Ansicht von Experten die dänische Energielandschaft grundlegend verändern. So sieht das neue Gesetz von Umwelt- und Energieminister Svend Auken unter anderem eine schrittweise Umstellung des Einspeisungsgesetzes auf ein Quotenmodell vor. Die Nachfrage nach regenerativ erzeugtem Strom soll künftig mit einer Quote gesteuert werden.
Dies ist ein ebensolcher staatlicher Eingriff in den Markt wie die bisherige Regulation über den Preis durch das sehr erfolgreiche Modell des Einspeisungsgesetzes. Liberale Theoretiker erhoffen sich jedoch durch ein Quotenmodell einen stärkeren Wettbewerb und dadurch größeren technischen Fortschritt sowie sinkende Preise bei den Anbietern regenerativer Technologien.
Mit dem Quotenmodell sollen die Betreiber regenerativer Kraftwerke für ihren Strom so genannte grüne Zertifikate erhalten, die frei gehandelt werden können. Ein Verbraucher – oder an seiner Stelle der Energieversorger – kann durch den Kauf dieser Zertifikate seine Quote erfüllen. Unerwünschte Folge eines solchen Systems: Durch die Unsicherheit für den Investor, ob seine Zertifikate auch tatsächlich gekauft werden, er also in der Lage ist, preisgünstiger als die Konkurrenz zu produzieren, wird mancher vielleicht künftig überhaupt nicht mehr investieren. Tatsächlich wurde in diesem Jahr in Dänemark noch keine einzige Windmühle an private Betreiber verkauft, ergab eine Untersuchung des dänischen Betreiberverbands.
Nur im Offshore-Bereich, also bei der Windkraftnutzung auf dem Meer, ist der dänische Markt bislang noch dynamisch. Das Umwelt- und Energieministerium hat dazu für die nächsten 30 Jahre ehrgeizige Pläne: Bis 2030 sollen insgesamt 5.500 Megawatt Windenergie installiert sein, davon 4.000 Megawatt offshore, was summarisch etwa 50 Prozent des dänischen Strombedarfs entspricht. Die ersten 750 Megawatt offshore sind bereits beschlossen und sollen in 150-Megawatt-Etappen ab dem Jahr 2002 gebaut werden. Hierfür verlässt auch Dänemark den Pfad der Bürgerwindkraft: Die dänische Regierung hat die beiden dänischen Energieversorger Elsam und Elkraft verpflichtet, die 750 Megawatt zu bauen.
Parallel dazu planen allerdings auch private Gruppen Offshore-Bürgerwindparks. Am weitesten vorangeschritten ist die „Middelgrundens Vindmøllelaug“, die noch in diesem Jahr drei Kilometer vor dem Kopenhagener Hafen den weltweit ersten und größten Offshore-Bürgerwindpark errichten will. Die Kooperative wird zehn der insgesamt 20 Anlagen mit je zwei Megawatt betreiben und finanziert sie durch den Verkauf von 40.500 Anteilen, jeder davon im Wert von 4.250 Dänischen Kronen (etwa 1.100 Mark).
Die Idee zu diesem Projekt entstand bereits 1996 im Umfeld des Kopenhagener Umwelt- und Energie-Büros, einer halbstaatlichen Organisation, die in Dänemark insgesamt 22-mal vertreten ist. Einige Mitarbeiter gründeten eine Arbeitsgruppe, an der sich jeder Interessierte beteiligen konnte. Zahlreiche Mitstreiter engagierten sich weitgehend ehrenamtlich. Inzwischen gibt es sogar einen Fernsehspot, in dem der bekannte dänische Schauspieler Jesper Klein den Kauf von Anteilen der Windmühlen anpreist.
Gleichzeitig mit der Kooperative hatte jedoch auch das Stadtwerk Kopenhagen die Idee, ein Offshore-Projekt im Kopenhagener Hafen zu beantragen. Nach anfänglichen Auseinandersetzungen um das Eigentum an dem Projekt fand man schließlich einen Kompromiss: Dem Stadtwerk gehören nun die anderen 10 der insgesamt 20 Anlagen. Trotz der neuen gesetzlichen Regelung für die Förderung regenerativer Energien wird die Beteiligung an dem Projekt nach den Berechnungen der Betreiber wirtschaftlich sein.
Die Vindmøllelaug hat das Glück, unter die gesetzliche Übergangsregelung für Altanlagen zu fallen. In den ersten sechs Jahren wird es pro gekauftem Anteil nach wie vor eine Einspeisevergütung von 330 Kronen plus einem Anteil aus den Ökosteuereinnahmen des Staates von 270 Kronen geben, der später durch den Verkauf grüner Zertifikate ersetzt wird. Nach Abzug laufender Kosten sowie der Abschreibung errechnen die Betreiber für diesen Zeitraum hieraus eine durchschnittliche Rendite von 7,5 Prozent. Vom 7. bis zum 20. Jahr sinkt die Rendite durch den Wegfall der staatlichen Ökosteuerzulage auf durchschnittlich 7 Prozent. Seit Mai können auch nicht-dänische Bürger Anteile am Middelgrunde-Projekt kaufen. NICOLE PAUL
Info: www.middelgrunden.dk, lauget@middelgrunden.dk oder bei Middelgrundens Vindmøllelaug, Blegdamsvej 4B, 2200 København N, Tel. (0045) 35-37 36 36, Fax-37 36 76
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