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Grob verschätzt

Vorzeigeprojekt Lehrter Bahnhof in Berlin gibt es in abgespeckter Form, wenn die Bahn keinen Investor findet

BERLIN ap ■ Aus Angst vor einer Milliardenpleite hat die Deutsche Bahn AG beim Renommierprojekt Lehrter Bahnhof in Berlin eine Sparversion entwickelt. Der Vorstand beschloss, zwei Bürohochhäuser über den Gleisen und das 20 Hektar große Viertel um den Bahnhof entgegen früherer Planung nicht mehr selbst zu bauen. Konzernsprecher Dieter Hünerkoch bestätigte am Samstag einen entsprechenden Spiegel-Bericht.

Findet sich in den nächsten 18 Monaten kein Investor für den Komplex mit 43.000 Quadratmeter Bürofläche, „dann wird einzig ein 60 Meter hoher, einsamer Abluftkamin zum Wahrzeichen von Europas größtem Kreuzungsbahnhof“, schrieb der Spiegel. Geplant waren den Angaben zufolge zwei so genannte Bügelbauten, die mit einer Höhe von 42 Metern auch das benachbarte Kanzleramt überragen sollten.

Der Bahn laufen bei Großprojekten die Kosten davon. Die ICE-Strecke Köln–Frankfurt und der Lehrter Bahnhof würden insgesamt fünf Milliarden Mark teurer werden als bisher angenommen, hieß es Anfang Mai. Fünf Jahre vor der geplanten Fertigstellung stiegen die Kosten allein für den Bahnhof um 20 Prozent auf mehr als eine Milliarde Mark. Die erwarteten Mieten von 50 Mark für den Quadratmeter schienen illusorisch, da derzeit selbst in der Bestlage weniger als 30 Mark zu erzielen seien. Das Magazin zitierte einen nicht genannten Bahnexperten: „Das Projekt war nicht wirtschaftlich.“ Technisch sei der Bau „am Limit und schwer beherrschbar“.

Bahnchef Hartmut Mehdorn fährt einen radikalen Sanierungskurs und will das bundeseigene Unternehmen bis 2004 kapitalmarktfähig machen. Dazu soll das Ergebnis um insgesamt 8,4 Milliarden Mark verbessert werden. Über den Beitrag der Beschäftigten ist für Mittwoch ein Spitzengespräch mit Gewerkschaftsvertretern in Frankfurt geplant.

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