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Rutellis Programm heißt Rutelli

Der Bürgermeister Roms ist ein Mann der schnellen und prinzipienlosen Wandlungen

ROM taz – Siamo tanti siamo belli, siamo tutti con Rutelli! Wir sind viele, wir sind schön, und wir sind alle für Rutelli – wie ein Star wurde der damals 40-jährige Bürgermeister Roms von tausenden Lesben und Schwulen in Sprechchören gefeiert, als er sich als Schirmherr im Juli 1994 in die Gay-Pride-Parade einreihte. Sechs Jahre später tut Francesco Rutelli so, als kenne er die schwule Szene gar nicht, zieht seine diesjährige Schirmherrschaft zurück, weil er plötzlich entdeckt haben will, dass es provokant und lästerlich zugehen könnte.

Oft genug hat Rutelli bislang schon Gesinnungen gewechselt. Mit 26 Jahren stritt er als Generalsekretär der Radikalen Partei, einer kleinen Truppe von Bürgerrechtlern, für Abtreibung und Ehescheidung, für die Rechte der Schwulen und „gegen die Einmischung des Vatikans“ (Rutelli) in die italienischen Angelegenheiten. Seit 1983 saß er für die Radikalen im Parlament, umwarb Craxis Sozialisten und beschimpfte die Kommunisten – bis er dann 1989 bei den Grünen einstieg.Voller Verve wandte er sich Anfang der 90er-Jahre gegen die Kandidatur Mailands für die Olympischen Spiele 2000. Voller Verve entdeckte Rutelli, was in Italien alle wussten: Craxi war eine korrupte Socke. Stattdessen suchte er das Bündnis mit den aus der KPI hervorgegangenen Linksdemokraten. Die dankten es dem schicken Youngster mit den braunen Locken und den flaschengrünen Augen, indem sie ihm 1993 die Kandidatur zum Bürgermeister Roms antrugen.

Gleich nach seiner Wahl setzte er progressive Zeichen, ernannte zum Beispiel einen Berater für die Rechte der Homosexuellen. Dann wurde ihm wohl klar, dass es anderer Partner bedarf, wenn man auf Dauer Rom regieren will. Vorbei war es mit dem Antiklerikalismus; 1995 ließ Rutelli sich nach immerhin 15 Jahren standesamtlicher Ehe kirchlich trauen, von einem Kardinal natürlich. Seine Kinder gehen bei den „Legionären Christi“ zur Schule; dort lernen sie, dass die Evolutionslehre eine Abirrung vom rechten Bibelglauben ist. Und Rutellis Kumpel waren nun nicht mehr die Grünen – die Mitgliedschaft ließ er 1995 einschlafen –, sondern die „Palazzinari“, die Baulöwen Roms. Ihnen (und seiner Karriere) zuliebe betrieb der frühere Olympiagegner die Kandidatur Roms für 2004, ihnen zuliebe schob er reichlich Bauprogramme fürs Heilige Jahr an. Unbequeme Freundschaften konnten da nur stören: Vom Versprechen eines kommunalen Registers für gleichgeschlechtliche Partnerschaften wollte Rutelli nichts mehr wissen, und nach seiner Wiederwahl 1997 schaffte er das Amt des Beraters für die Rechte der Homosexuellen ab.

Da überrascht es nicht, dass der frühere Priesterfresser Rutelli nach seinem Einstieg bei Romano Prodis „Democratici“ mittlerweile als Ministerpräsidentenkandidat des katholischen Zentrums gehandelt wird. Verbiegen musste er sich bei all seinen Verrenkungen allerdings nicht. Rutelli hat ein ebenso klares wie knappes politisches Programm: Es heißt „Rutelli“. MB

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