: Mahnmal für Opfer am Ort der Täter
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde will Denkmale für NS-Opfer auf dem Gelände der „Topographie des Terrors“. Kaum positive Resonanz
von PHILIPP GESSLER
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, schlägt vor, auf dem Gelände der „Topograhie des Terrors“ die Mahnmale nicht jüdischer Opfergruppen anzusiedeln. Auch andere Opfer wie etwa Sinti und Roma, Homosexuelle und Wehrmachtsdeserteure sollten ein qualitativ ähnlich würdiges Gedenken erfahren wie die ermordeten Juden, sagte Nachama gestern gegenüber der taz. Dazu gehörten Mahnmale samt zusätzlicher Informationsmöglichkeiten zu der jeweiligen Opfergruppe.
Das Kreuzberger Gelände sei groß genug, um neben dem Dokumentations- und Lernort über die Täter auch ein Ort des Mahnens sein zu können, betonte Nachama. Während die eigentlichen Terrorzentralen des NS-Regimes wie die SS-Reichszentrale eher an der Niederkirchner Straße gelegen hätten, gebe es auf dem Gelände auch noch ein damals nicht von den Nazis genutztes Areal: ein Robinienwäldchen und ein Parkplatz in diesem Block. An diesem Ort könnte der anderen Opfergruppen gedacht werden.
Der Gemeindevorsitzende fügte hinzu, ein Gedenken an die Sinti und Roma am Stadtrand in Marzahn werde ihren vielen Opfern nicht gerecht. Mit einer solchen Entscheidung gehe man den Nazis auf den Leim, die damals eine Sammelstelle für „Zigeuner“ gerade an diesen Ort installiert hätten, weil er vom Zentrum so weit entfernt war.
Die Gedenkstättenleitung und Politiker von SPD und Bündnisgrünen wiesen den Vorschlag Nachamas gestern zurück. Die geplante Gedenkstätte, die unter einem De-facto-Baustopp steht (s. Kasten), solle sich auf die Täter und ihre Schuld konzentrieren, nicht auf die Opfer und ihr Leiden, so die übereinstimmende Kritik.
Der wissenschaftliche Direktor der Stiftung „Topographie des Terrors“, Reinhard Rürup, sagte, der Vorschlag Nachamas sei schon in den Achtzigerjahren erwogen, aber dann verworfen worden. Zwar sei von hier der Terror gegen alle Opfergruppen ausgegangen. Das Gelände müsse aber ein „Ort der Täter“ bleiben. Nachama, der als Geschäftsführer der „Topographie“ beurlaubt ist und wieder zur Stiftung zurückkehren will, habe als „Privatperson“ gesprochen. Zudem könnte eine Umwidmung auch rechtliche Fragen in Bezug auf den Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor für das geplante Gedenkstättengebäude aufwerfen.
Auch von der Politik erhielt Nachama Gegenwind: Bausenator Peter Strieder (SPD) sagte, das historische Areal sei ein „Ort der Täter und nicht der Opfer“. Die Kulturexpertin der Bündnisgrünen, Alice Ströver, betonte: „Die Erinnerung an Opfer und Täter darf nicht miteinander vermischt werden.“
Nachama verwies dagegen darauf, dass die „Topographie des Terros“ das einzige Projekt in der Bundesrepublik sei, das versuche, allen Opfergruppen gerecht zu werden. Es müsse möglich sein, solche Fragen öffentlich zu diskutieren. Mit seinem Vorschlag wolle er einen Stein ins Wasser werfen.
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