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Bremens Stadtwerker werden Kaaskoppen

■ Der Senat will 51 Prozent der Stadtwerke (swb) an den niederländischen Essent-Konzern verkaufen / Parteitag der SPD und die Bürgerschaft müssen noch zustimmen

Im Angebot war feinstes Bremer Tafelsilber: 51 Prozent der swb-Anteile (ehemals Stadtwerke) will die Stadt Bremen verkaufen. Freuen darf sich der niederländische Energieversorger Essent, dem der Senat gestern den Vorzug gab. Und Bremen – über die gebotenen 1,110 Milliarden Mark. Die SenatorInnen strahlten jedenfalls um die Wette: „Wir haben unheimliches Glück gehabt, was Preis und Partner angeht“, erklärt Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Zustimmen muss allerdings noch die SPD auf einem Sonderparteitag und die Bürgerschaft.

Fünf Monate hatte man verhandelt, dann war die „strategische Partnerschaft“ mit Essent spruchreif. Konkurrent und bisheriger Favorit Texas Utilities sei mit dem Angebot runter gegangen und soll zuletzt einen ähnlichen Preis geboten haben wie Essent. Die Holländer hatten „das überzeugendste Angebot gemacht“, erklärte Scherf gestern: Bremen soll Firmensitz – das ist unbefristet zugesichert – bleiben und die eigenen Kraftwerke behalten. Für Essent wäre Bremen eine strategische Brückenkopf-Position: „Die swb ist für uns optimal als Plattform für das Deutschland-Geschäft“, faxte die Essent-Zentrale.

Damit bleiben der Stadt nur noch 15 Prozent der Stadtwerke-Anteile. Aber selbst ein Verkauf der Restaktien ist nicht mehr ausgeschlossen. Bis 2005 hat der Senat einen garantierten Verkaufspreis von 336 Millionen Mark mit Essent vereinbart.

Mit einem Anteil unter 25 Prozent verliert Bremen seine Sperrminorität, damit gibt Bremen die „Möglichkeit auf, energiepolitische Entscheidungen zu beeinflussen“, kritisierten die Grünen den Beschluss.

Die Partnersuche für die swb war aufgrund der Liberalisierung des Strommarktes zur „Überlebensfrage“ geworden. Bisher hatte Bremen die Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Preag-Konzern gesucht, der die Region um Bremen herum mit seinem Strom beliefert und auch unternehmensrechtlich wesentlichen Einfluss hat. So wäre die Preag-Tochter EWE aus Oldenburg gern bei der swb eingestiegen – sie hätte jedoch Firmen-Funktionen in Olfdenburg konzentriert, fürchtete man bei den Bremer Stadtwerken.

Vom neuen niederländischen Partner erhofft man sich nun neue Wachstumschancen und die Sicherung bremischer Arbeitsplätze. Weiterhin sollen aber die Stromerzeugungs-Eigenkapazitäten wie 1998 beschlossen bis 2005 von 100 Prozent auf 60 Prozent reduziert werden. Die Folge: Ein höherer Atomstromanteil, kritisieren die Grünen.

Als „ein klassisches Stück Sanierungspolitik“, lobte Scherf den geplanten Verkauf. Von den 1,110 Milliarden Mark Kaufpreis bleibt jedoch nur ein Teil zum Stopfen der Haushaltslöcher: Rund 800 Millionen wurden schon in den vergangenen Jahren als Einnahmen verbucht – dem Senat bleiben noch 287 Millionen Mark. Gut 200 Millionen Mark davon will Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) für „Maßnahmen ausgeben, die der Senat bereits beschlossen hat. 84 Millionen Mark bleiben für die Rücklage.“ Die Grünen dagegen fordern, dass das „Geld nicht zur Deckung aktueller Haushaltslücken verfrühstückt werden darf“, sondern in Energiesparmaßnahmen gesteckt werden sollte.

Der Verkauf bedeutet aber auch eine Abkehr der bisherigen SPD-Politik. „In den 70er Jahren wollten wir noch alles in eigenen Händen halten. Inzwischen habe ich gelernt, dass das ein Untergangskonzept ist“, meinte Scherf. Davon muss er auf einem Sonderparteitag der SPD noch seine Genossen überzeugen. „Aber die Argumente sind so gut“, dass Scherf kaum mit Problemen rechnet. „Die SPD hat nicht die Freiheit die swb zu ruinieren“, drohte Perschau. Im Juli muss auch noch die Bürgerschaft zustimmen. pipe

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