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Attacke auf Großflughafen

Klageprofis verlangen, Planfeststellungsverfahren sofort abzubrechen. Betroffene seien bewusst getäuscht worden. Planungsgesellschaft, Genehmigungsbehörde und Senat weisen Vorwürfe zurück

von PHILIPP GESSLER

Sie haben die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf juristisch in die Knie gezwungen – jetzt zielen sie auf den geplanten Großflughafen in Schönefeld: Im Auftrag betroffener Anwohner geht seit gestern die Kanzlei „Baumann.Krüger.Eiding“ aus Würzburg gegen das Milliardenprojekt vor. Beim brandenburgischen Ministerium für Verkehr beantragten die Anwälte, das laufende Planfeststellungsverfahren abzubrechen, die derzeit in den benachbarten Gemeinden ausliegenden Unterlagen zurückzuziehen sowie das ganze Verfahren zu beenden. Das könnte nach ihrer Einschätzung das Projekt massiv verzögern.

Die bayerischen Verwaltungsrechts-Experten, die auch schon gegen das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich geklagt haben, betrachten die Unterlagen als „unvollständig, fehlerhaft und auf unerträgliche Art und Weise irreführend“. Die vorliegenden 49 Aktenordner täuschten die Anwohner des Großprojekts am Stadtrand über das tatsächliche Ausmaß der Lärmbelastung durch den prognostizierten Flugverkehr. Offenbar sollten so die Betroffenen dazu verleitet werden, auf Einwendungen gegen den Großflughafen zu verzichten. Ihnen werde vorgespiegelt, sie seien kaum betroffen. Alternativen zu Schönefeld würden nicht mehr dargestellt.

Rechtsanwalt Wolfgang Baumann sprach von „himmelschreienden Fehlern“ in den ausgelegten Unterlagen und von einer „bewussten Irreführung der Bevölkerung“. Das ganze Verfahren sei deshalb rechtswidrig. Die im Grundgesetz geschützte körperliche Unversehrtheit der Anwohner sei gefährdet: Der von den Großflughafen-Betreibern als erträglich eingestufte Lärmpegel sei viel zu hoch.

Im brandenburgischen Landesamt für Bauen, Verkehr und Straßenwesen nahm man die Einwände der Rechtsanwälte ernst: Die Anträge würden sorgfältig geprüft, erklärte Fritz Kabus, Vertreter des Präsidenten der zuständigen Genehmigungsbehörde. Allerdings sei es „äußerst unwahrscheinlich“, dass das Planfeststellungsverfahren tatsächlich abgebrochen werde. Dazu müssten im Verfahren erhebliche, „nicht mehr heilbare“ Mängel vorliegen. Auch den Vorwurf, hier sei etwas absichtlich verfälscht worden, wies Kabus zurück. Eine Verzögerung durch die Anträge sei „fast undenkbar“.

Auch die Sprecherin der Senatsverwaltung für Verkehr, Petra Reetz, sagte, man nehme schon deshalb alle Einwände gegen den Flughafen ernst, da mögliche Schwachstellen später Millionen kosten könnten. Dennoch seien die Anträge im noch laufenden Verfahren eher als „Geste“ zu betrachten, da Klagen noch gar nicht möglich seien.

Der Sprecher der Flughafen-Planungsgesellschaft PPS, Burkhard Kieker, sah in den meisten Vorwürfe „völligen Unsinn“. Durch die Vorstöße der Juristen werde sich das Projekt nicht verzögern. Die Anwälte sind anderer Meinung. Haben sie jetzt keinen Erfolg, erwägen sie eine Klage.

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