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Raus aus der Nische

Solardachziegel sind eine sinnvolle Alternative bei Neubau und Dachsanierung. Der Markt ist derzeit noch recht überschaubar. Nachteile wie höhere Kosten und schlechtere Erträge als bei aufgeständerten Anlagen lassen sich mit guter Planung umgehen

Alexander Dörr betreibt seit 1999 eine eigene Solarstromanlage. Der Solarstromexperte ist Geschäftsführer der ARGE „Solar“, ein saarländischer Verein zur Förderung der Fotovoltaik. Er hatte sich für Solardachziegel entschieden – und es nicht bereut: Die 1,5-Kilowatt-Anlage brachte im ersten Betriebsjahr einen Ertrag von 1.243 Kilowattstunden. Bereinigt man diese Summe um die leicht überdurchschnittliche Sonnenscheindauer im vergangenen Jahr in Neunkirchen, Saarland, bleiben immer noch rund 1.150 Kilowattstunden, mithin etwa 760 Kilowattstunden pro Kilowatt: ein guter Wert.

Wer eine Solarstromanlage nicht als zusätzliche Dachhaut nachträglich aufständern möchte, sondern eine dachintegrierte Anlage vorzieht, hat inzwischen einige Auswahl an solar aufgerüsteten Dachziegeln oder Solarmodulen. Dachintegrierte Solarstromanlagen, insbesondere wenn sie aus vielen kleinen Solardachziegeln bestehen, sind zum Teil wesentlich teurer als aufgeständerte Anlagen. So kostet beispielsweise eine 1-Kilowatt-Anlage mit Solardachziegeln Typ Rheinland von der Firma Laumans rund 20.000 Mark zuzüglich etwa 2.000 Mark für die Montage. Eine 1-Kilowatt-Anlage mit dem Solarschiefer Sunslates des Schweizer Herstellers Atlantis ist fertig installiert für rund 17.700 Mark zu haben.

Da jedoch keine herkömmlichen Dachziegel mehr benötigt werden und der Dachdecker das Dach ohnehin eindecken muss, kann man bei einer Fläche von rund zehn Quadratmetern, wie sie für eine 1-kW-Anlage benötigt wird, rund 1.400 Mark gegenrechnen. Faustregel: Dachziegel kosten für eine Fläche von zehn Quadratmetern rund 400 Mark, der Dachdecker verlangt für seine Arbeit weitere 400 Mark. Zusätzlich kann man auf ein separates Montagesystem verzichten, das bei einer aufgeständerten Anlage pro Kilowatt mit rund 600 Mark zu Buche schlägt. Somit kostet die Anlage aus Sunslates genau genommen nur 16.300 Mark – sofern man eine Solarstromanlage beim Neubau sowieso einplante.

Entscheidet man sich dagegen für Newtec-Solardachziegel von der Phönix SonnenStrom AG, muss man sogar nur mit rund 14.360 Mark je Kilowatt für das Material und weiteren 2.000 Mark für die Montage rechnen. Da diese Anlage den gleichen Platzbedarf hat, kann man ebenfalls die eingesparten Ziegel- und Dachdeckerkosten gegenrechnen und erhält seine Anlage zumindest rechnerisch zum Preis von etwas weniger als 15.000 Mark. Dies zahlt man jedoch auch für eine aufgeständerte Anlage mit einer Leistung von einem Kilowatt. Dass Solardachziegel regelmäßig teurer als aufgeständerte Anlagen seien, ist als pauschale Behauptung somit nicht haltbar. Generell gilt: je wärmer das Modul, desto geringer der Stromertrag.

Deshalb ist eine gute Hinterlüftung für jede Solarstromanlage Pflicht. Während dies bei aufgeständerten Anlagen meist kein Problem ist, wird es bei dachintegrierten Anlagen komplizierter. Da die Frage nach der Hinterlüftung bei jedem Solardachziegelproduzenten früher oder später gestellt wird, haben die meisten eine Standardantwort. Dieter Winkler von Solarwatt meint, das sei wohl „die am häufigsten gestellte Frage“. Seine Antwort ist eine Folie mit den Ergebnissen einer Untersuchung des Fraunhofer Instituts. „Wenn ich die auflege, ist das Thema erledigt.“

Kein Wunder: Dirk Uwe Sauer und Robert Kaiser haben 1994 im Rahmen einer am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg durchgeführten Diplomarbeit den „Einfluss baulicher und meteorologischer Bedingungen auf die Temperatur des Solargenerators“ untersucht. Ergebnis: Bei dachintegrierten Anlagen mit guter Hinterlüftung muss man im Vergleich zu einer frei aufgeständerten Anlage mit einem Minderertrag von etwa zwei Prozent, bei fehlender Hinterlüftung mit fünf Prozent rechnen. Allzu genau sollte man diese Werte zwar nicht nehmen, Sauer selbst nennt eine Fehlermarge von zehn Prozent. Doch wird deutlich: Einen Minderertrag von 50 Prozent anzunehmen, wie es Elektriker hin und wieder ihren Kunden erzählen, ist unseriös. Zwei bis fünf Prozent hingegen sind realistischer und sicher verkraftbar. Schon die Solarstromerträge zwischen Hamburg und München variieren auf Grund der unterschiedlichen Sonnenscheindauer um zehn Prozent. Aber deshalb würde niemand auf die Idee kommen, die Hansestadt zur solarstromfreien Zone zu erklären.

Bei genauerem Hinsehen lassen sich die oft bemängelten Nachteile von Solardachziegeln, wie zu hohe Kosten oder zu schlechte Erträge, vermeiden – wenngleich nicht bei jedem Typ. Trotzdem dürfte – grob geschätzt – nur etwa ein Promille aller Solarstromanlagen so aufgebaut sein. Von der durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ausgelösten Euphorie ist bei den meisten Solardachziegelherstellern jedenfalls nichts zu spüren. Wolfgang Wagner, zuständig für Marketing bei Rathscheck Schiefer, ist froh, überhaupt eine Anlage mit den neuen Solarschiefern installiert zu haben. „Weitere sind bisher nicht geplant. Wir sehen das ganz emotionslos.“ Ulrich Lutter, Verkaufsleiter bei Magog Schiefer und ebenfalls seit neuestem Anbieter von Solarschiefern, möchte dagegen noch in diesem Jahr einiges bewegen, wenngleich bescheiden: „Zwei wären gut.“ Wer bereit ist, sich auf die neue Technik einzulassen, erhält womöglich bei dem einen oder anderen Anbieter auch einen Sonderpreis – und als ein Kunde unter sehr wenigen ganz sicher jede Menge Service.

ANNE KREUTZMANN

Eine Marktübersicht zu Solardachziegeln gibt es in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Photon. Bezug gegen Rechnung zum Preis von 7,90 DM (plus 4 DM Versand) beim Solar Verlag,Wilhelmstr. 34, 52070 Aachen.

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